Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnung nach anwaltlichem Gebührenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt kann eine Betreuertätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn die zu bewältigende Aufgabe sich als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt.

 

Normenkette

BGB § 1835 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Aktenzeichen 1 T 1347/01)

AG Neuburg a.d. Donau (Aktenzeichen XVII 0002/00)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Ingolstadt vom 1.8.2001 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Zum Berufsbetreuer der mittellosen Betroffenen ist ein Rechtsanwalt bestellt.

Für seine Tätigkeit im Rahmen der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs der Betroffenen gegen ihren Vater stellte er eine Geschäftsgebühr, eine Besprechungsgebühr und eine Vergleichsgebühr sowie Post- und Telekommunikationsentgelte in Rechnung und beantragte, diese Aufwendungen i.H.v. 2.035,10 DM zzgl. 16 % Mehrwertsteuer gegen die Staatskasse festzusetzen.

Mit Beschluss vom 19.6.2001 lehnte das AG den Antrag ab, da die betreffende Tätigkeit nicht über die Gebührenordnung für Rechtsanwälte abgerechnet, sondern nur nach dem für Berufsbetreuer geltenden Vergütungsrecht abgegolten werden könne.

Die sofortige Beschwerde des Betreuers, mit der dieser seinen Antrag, ausgenommen die in Ansatz gebrachte Vergleichsgebühr, weiter verfolgte, hat das LG am 1.8.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betreuer mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II. Das zulässige, insbesondere vom LG zugelassene Rechtsmittel (§ 69e S. 1, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG), bleibt ohne Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung, teils durch Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors, wie folgt begründet:

Der Betreuer könne seine Tätigkeit in der Unterhaltsfrage nicht nach der BRAGO abrechnen. Er erhalte aufgrund seiner Qualifikation einen Stundensatz von 60 DM, weil gesetzlich vermutet werde, dass seine Kenntnisse als Anwalt für die Betreuung nutzbar seien. Die Vorschrift des § 1835 Abs. 3 BGB, wonach ein Betreuer Dienste, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen geltend machen könne, sei wegen ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen. Der Betreuer weise zwar zu Recht darauf hin, dass Unterhaltsverhandlungen eine typisch anwaltliche Tätigkeit seien. Im konkreten Fall hätten sich die Unterhaltsverhandlungen und deren Ergebnis jedoch auf ein Stadium beschränkt, in dem ein qualifizierter Berufsbetreuer, der nicht Rechtsanwalt sei, vernünftigerweise noch keinen Rechtsanwalt zu Rate gezogen hätte. Grundsätzlich versuche jedermann, ob juristisch vorgebildet oder nicht, zunächst in eigenen Verhandlungen mit seinem Kontrahenten seine Ziele bzw. zumindest einen Kompromiss zu erreichen. Hier habe der Vater der Betroffenen sich lediglich mündlich bereit erklärt, weiterhin Unterhalt zu leisten, und zwar i.H.v. monatlich 900 DM. Die Verhandlungen hätten weder zu einer konkreten schriftlichen Vereinbarung geführt, noch sei ein Rechtsstreit erforderlich gewesen.

2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Ist als Berufsbetreuer ein Rechtsanwalt bestellt, kann dieser für die zur Betreuung aufgewandte und erforderliche Zeit gem. § 1908i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1836 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB Vergütung und für seine Aufwendungen nach dem für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB Ersatz verlangen (§ 1835 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei Mittellosigkeit des Betreuten kann er diese Ansprüche gegen die Staatskasse geltend machen (§ 1836a BGB i.V.m. § 1 BVormVG; § 1835 Abs. 4 S. 1 BGB).

b) Soweit § 1835 Abs. 3 BGB bestimmt, dass als Aufwendungen auch solche Dienste des Betreuers gelten, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören, schließt § 1 Abs. 2 S. 1 BRAGO eine Liquidierung der von einem Rechtsanwalt geleisteten Betreuertätigkeit auf der Grundlage der BRAGO zwar grundsätzlich aus (vgl. BGH v. 17.9.1998 – IX ZR 237/97, BGHZ 139, 309 [311]; HK-BUR/Bauer/Deinert, § 1835 BGB Rz. 54; Knittel, BtG § 1835 BGB Rz. 25). § 1 Abs. 2 S. 2 BRAGO eröffnet Rechtsanwälten jedoch die Möglichkeit, die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben der Betreuung über § 1835 Abs. 3 BGB ausnahmsweise nach anwaltlichem Gebührenrecht abzurechnen (vgl. BT-Drucks. 13/7158, 41; BVerfG FamRZ 2000, 345 [347]; BtPrax 2000, 120 [122]; BGH v. 17.9.1998 – IX ZR 237/97, BGHZ 139, 309 [311, 312] = MDR 1998, 1435). Dabei kann es sich sowohl um eine gerichtliche wie um eine außergerichtliche Tätigkeit handeln (BGH v. 17.9.1998 – IX ZR 237/97, BGHZ 139, 309 [311, 312] = MDR 1998, 1435).

c) Die Frage, welche Tätigkeit eines zum Betreuer bestellten Rechtsanwalts i.S.d. § 1835 Abs. 3 BGB ein zu seinem Beruf gehörender Dienst ist, wirft, insbesondere im Bereich der außergerichtlichen Tätigkeiten, schwierige Abgrenzungsprobleme auf (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 1 Rz. 22; Gregersen/Deinert, Die Vergütung des Betreuers, 2. Aufl., Kap. 4.7).

aa) Betreuung ist schon ihrer Natur nach mit zahlreichen Rechtshandlungen verbun...

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