Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrverbot. Einspruch. Einspruchsbeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. Rechtsbeschwerde. Staatsanwaltschaft. Augenblicksversagen. Nutzung. Dienstwagen. Vorahndung. Vielfahrer. Aushilfsfahrer. Härte. Existenzgefährdung. Vollstreckungsaufschub. Kein Absehen vom Regelfahrverbot wegen Fahrt mit fremdem Fahrzeug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorbewertung des Verordnungsgebers, der in § 4 Abs. 1 BKatV bestimmte Verhaltensweisen als grobe Pflichtverletzungen ansieht, bei denen regelmäßig die Anordnung eines Fahrverbotes in Betracht kommt, ist auch von den Gerichten zu beachten. Von einem derartigen Regelfahrverbot kann daher nur bei erheblichen Abweichungen gegenüber dem Normalfall oder bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte abgesehen werden.

2. Macht der Betroffene geltend, aufgrund einer Fahrt mit einem ihm fremden Fahrzeug eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verkannt zu haben, scheidet eine Ausnahme von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot aufgrund besonderer Tatumstände, insbesondere die Anerkennung eines privilegierenden sog. Augenblicksversagens, regelmäßig aus (Anschl. an OLG Bamberg, Beschl. v. 17.07.2012 - 3 Ss OWi 944/12 = DAR 2012, 528 = ZfSch 2012, 648 = OLGSt StVG § 25 Nr 52 = VerkMitt 2013, Nr 3).

 

Normenkette

StVO §§ 24, 25 Abs. 1, 2a, § 49 Abs. 1 Nr. 3; StVG § 26a; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 4; BKat Nr. 11.3.7; OWiG § 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 77b Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; StPO § 35 Abs. 2 S. 1, § 267 Abs. 3 S. 1

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 25.02.2019 mit den Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt vom 13.12.2018 wurde gegen den Betroffenen wegen einer am 08.10.2018 auf einer Bundesstraße begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 47 km/h ( §§ 24 StVG , 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO , Nr. 11.3.7 BKat) eine Geldbuße in Höhe von 160 Euro sowie wegen des groben Pflichtenverstoßes ein - mit der Vollstreckungserleichterung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes - Fahrverbot für die Dauer von einem Monat festgesetzt. Der Betroffene legte gegen diesen Bußgeldbescheid Einspruch ein, welcher in der Hauptverhandlung vom 25.02.2019 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen daraufhin zu einer Geldbuße von 320 Euro. Von der Verhängung des im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbotes sah es dagegen ab, weil der nicht vorgeahndete Betroffene einem Augenblicksversagen unterlegen sei, da er nicht widerlegbar am Tattag erstmals mit einem anderen Dienstwagen (7er BMW) auf der an der Messstelle gut ausgebauten Bundesstraße unterwegs gewesen sei und seine Geschwindigkeit (leicht fahrlässig) falsch eingeschätzt habe. Der Betroffene sei beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, da er für die Akquise von Kunden vor Ort und die Betreuung der Vertragsverhandlungen zuständig sei und im gesamten Bundesgebiet mobil sein müsse. Er sei allein zwischen dem 10.01.2019 und dem 19.02.2019 über 5.000 km gefahren. Es bedeute eine unzumutbare Härte, dem Betroffenen ein Fahrverbot aufzuerlegen. Das Urteil des Amtsgerichts vom 25.02.2019 wurde der Staatsanwaltschaft am 01.03.2019 ohne Gründe zugestellt, da diese vor der Hauptverhandlung keine schriftliche Begründung des Urteils beantragt hatte und der Betroffene sowie sein Verteidiger noch in der Hauptverhandlung vom 25.02.2019 Rechtsmittelverzicht erklärten. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein, die am 05.03.2019 bei dem Amtsgericht einging. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an die Staatsanwaltschaft am 21.03.2019 begründete diese ihre Rechtsbeschwerde mit einem am 27.03.2019 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz und beanstandete mit der Sachrüge, dass das Amtsgericht zu Unrecht vom Vorliegen eines Härtefalls ausgegangen sei und von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 05.08.2019 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts vom 25.02.2019 auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Hierzu hat sich die Verteidigung in ihrer Gegenerklärung vom 11.09.2019 geäußert.

II.

Die statthafte ( § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG ) sowie auch im übrigen zulässige und wegen der in der Hauptverhandlung vom 25.02.2019 wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffende Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich als begründet.

1. Zur Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht gestellt ist das vollständige Urteil des Amtsgerichts in der am 19.03.2019 zur Ak...

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