Leitsatz (amtlich)

1. Zu den inhaltlichen Anforderungen an ein Gutachten, das zur Frage der geschlossenen Unterbringung Stellung nimmt.

2. Allein die Begründung, daß der Betroffene selbst von der Notwendigkeit seiner „derzeitigen” Unterbringung ausgeht, kann das Absehen von der persönlichen Anhörung nicht rechtfertigen.

 

Normenkette

FGG § 70e Abs. 1 S. 1, § 69g Abs. 5 S. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 10.10.1994; Aktenzeichen 13 T 15470/94)

AG München (Aktenzeichen 712 XVII 7255/92)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 10. Oktober 1994 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Für den Betroffenen wurde vom Amtsgericht am 3.3.1989 wegen eines mäßig ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndroms im Rahmen eines chronischen Alkoholismus Pflegschaft u.a. für den Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung angeordnet. Am 26.1.1993 bestellte das Amtsgericht für diesen Aufgabenkreis eine Vereinsbetreuerin. Auf deren Antrag genehmigte das Amtsgericht am 12.7.1994 die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis 11.7.1995. Die vom Verfahrensbevollmächtigten eingelegte und nach Akteneinsicht von ihm mit Schriftsatz vom 22.8.1994 begründete sofortige Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluß vom 10.10.1994 mit der Maßgabe zurück, daß die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bis 11.7.1995 vormundschaftsgerichtlich genehmigt werde.

Das Landgericht führt aus, die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen vor. Der Betroffene leide an chronischer Alkoholabhängigkeit, die mittlerweile zu einem hirnorganischen Psychosyndrom geführt habe. Nach dem Gutachten des Abteilungsarztes Dr. K. des Bezirkskrankenhauses vom 30.6.1994 bestehe die erhebliche Gefahr eines Alkoholrückfalls mit vitalbedrohlicher Gefährdung, so daß die Behandlung des Betroffenen derzeit nur in einer geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses H. möglich sei. Der Betroffene bezweifle die Notwendigkeit der derzeitigen geschlossenen Unterbringung nicht. Seine persönliche Anhörung im Beschwerdeverfahren sei nicht veranlaßt.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde beantragt der Betroffene die Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts vom 12.7.1994 und des Landgerichts vom 10.10.1994. Nach dem Gutachten von Dr. K. vom 23.9.1994 sei er bewußtseinsklar. Der Beschluß vom 12.7.1994 stütze sich insbesondere auf das Gutachten von Dr. K. vom 30.6.1994; dieses habe der Prozeßbevollmächtigte erst mit dem landgerichtlichen Beschluß erhalten; auch sei das Landgericht auf seine Ausführungen zum Gutachten von Dr. L. vom 14.5.1994 nicht eingegangen. Hierdurch sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht zwar nicht auf einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, sie kann aber aus anderen Gründen keinen Bestand haben.

1. Der Beschwerdeführer kann keinen Erfolg mit seiner Begründung haben, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

a) Rechtliches Gehör wird dem Betroffenen in der Regel nur dann ausreichend gewährt, wenn er ein Gutachten vollständig, schriftlich und rechtzeitig vor seiner persönlichen Anhörung erhält (BayObLG BtPrax 1993, 208). Es kann dahinstehen, ob das Amtsgericht dem Betroffenen ausreichend rechtliches Gehör gewährt hat. Denn dies ist jedenfalls im zweiten Rechtszug dadurch nachgeholt worden, daß dem Prozeßbevollmächtigten Akteneinsicht gewährt wurde. Wenn dieser, das Gutachten vom 30.6.1994 nicht zur Kenntnis genommen hat, begründet dies nicht die Rüge, das rechtliche Gehör des Betroffenen sei verletzt.

Es kommt daher nicht darauf an, daß der Prozeßbevollmächtigte auch nicht dargelegt hat, was er vorgetragen hätte, wenn ihm Gehör gewährt worden wäre (BayObLG, Beschluß vom 11.10.1994 – 1Z BR 94/94).

b) Das Landgericht ist in seiner Entscheidung auf den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 22.8.1994 umfänglich eingegangen. Insbesondere hat es darauf hingewiesen, die Beschwerdebegründung gehe fälschlicherweise davon aus, daß der amtsgerichtliche Beschluß einen falschen Sachverständigen bezeichne. Auch insoweit liegt deshalb eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor.

2. Der Beschluß des Landgericht kann aber aus folgenden Gründen keinen Bestand haben:

a) Das Schreiben des Abteilungsarztes Dr. K. vom 30.6.1994 kann nicht als Gutachten im Sinne von § 70e Abs. 1 Satz 1 FGG gewertet werden.

Der Verfahrensbevollmächtigte rügt zwar die Qualität der zur Grundlage der Entscheidungen gemachten Sachverständigenäußerung nicht. Das Gericht der weiteren Beschwerde hat im Rahmen seiner Sachentscheidung aber die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz nach allen Richtungen zu prüfen, es darf sich nicht auf die Rügen der weiteren Beschwerde beschränken (Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 27 Rn. 15).

Zwar ist die Würdigung von Sachverständigengutachten Sache der ...

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