Leitsatz (amtlich)

1. Das Erfordernis der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu einer baulichen Veränderung ist abdingbar.

2. Der Umfang einer baulichen Veränderung rechtfertigt als solcher nicht zwingend den Schluss, die Maßnahme bedürfe der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer.

3. Im Einzelfall kann es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter nach Einnahme eines Augenscheins den Anbau eines unterkellerten Wintergartens in einer aus zwei Wohngebäuden bestehenden Wohnanlage als für einen anderen Wohnungseigentümer nicht zustimmungsbedürftig beurteilt.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 27.02.2004; Aktenzeichen 1 T 17376/02)

AG München (Aktenzeichen 481 UR II 743/02)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 22.12.2004; Aktenzeichen 1 BvR 1806/04)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG München I vom 27.2.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin und ihr Ehemann sowie die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus drei Wohnungen in zwei Wohngebäuden. Die Wohngebäude sind durch zwei dazwischen liegende Garagen miteinander verbunden. Der Antragsgegnerin gehört das Wohnungseigentum im südöstlich gelegenen Gebäude mit der anschließenden Garage; der Antragstellerin gehört die Wohnung im Erdgeschoss des nordwestlichen Gebäudes mit der angebauten Garage. Den jeweiligen Gebäuden vorgelagert sind Sondernutzungsrechte an gärtnerisch oder als Terrasse genutzten Grundstücksflächen. Das Sondernutzungsrecht der Antragstellerin erstreckt sich auf die gesamte Breite des von ihr bewohnten Gebäudes einschließlich der beiden Garagen; hieran schließt sich die Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin an.

§ 8 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung lautet:

"Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, die einzelnen Sondereigentümern zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen wurden, können vom jeweiligen Eigentümer ohne Zustimmung der übrigen Sondereigentümer verändert werden."

Die Antragsgegnerin begann im Sommer 2002 auf der Grundlage einer Baugenehmigung vom 14.11.2001 mit den Fundamentarbeiten zur Errichtung eines unterkellerten Wintergartens auf der ihr zugewiesenen Sondernutzungsfläche. Geplant ist ein Bauwerk im Wesentlichen in Aluminium-Holz-Glas-Konstruktion, das von der Gebäudewand aus eine Tiefe von etwa 5 m in den Garten aufweist und bis knapp 3 m hoch ist.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Bauarbeiten an dem Wintergarten zu unterlassen und ihn, soweit er bereits errichtet ist, zu beseitigen. Das AG hat dem Antrag am 12.9.2002 stattgegeben. Das LG hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 5.2.2003 die Entscheidung des AG aufgehoben und den Antrag der Antragstellerin abgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat den Beschluss des LG am 3.7.2003 (BayObLG v. 3.7.2003 - 2Z BR 34/03) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen. Das LG hat nach durchgeführtem Augenschein mit Beschluss vom 27.2.2004 wiederum der sofortigen Beschwerde stattgegeben und den Antrag der Antragstellerin auf Unterlassung weiterer und Beseitigung schon durchgeführter Baumaßnahmen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der im Schriftsatz vom 9.6.2004 formulierte Antrag auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hat nur klarstellende Bedeutung.

1. Das LG hat ausgeführt:

Nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins werde die Antragstellerin durch die Errichtung des Wintergartens nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt. Maßstab sei, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Situation verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne. Unerhebliche Beeinträchtigungen genügten nicht. Notwendig sei eine objektivierte Betrachtungsweise. Hiernach könne keine relevante Beeinträchtigung der Antragstellerin durch den Anbau festgestellt werden. Optisch wirke der geplante Wintergarten jedenfalls nicht störend. Er füge sich nach Konstruktion und Materialien architektonisch-ästhetisch gut in die vorhandene Bebauung ein und harmoniere mit dem auch ansonsten sehr gepflegten Zustand des Anwesens. Auf die geplante Größe des Wintergartens komme es für die Frage der Zustimmungspflicht nicht an.

Ein Nachteil sei auch deshalb zu verneinen, weil das Bauwerk nicht sichtbar sei. Zwar sei die ursprünglich dichte Fichtenbepflanzung in diesem Maß nicht mehr vorhanden. An dem Zaun befinde sich jedoch ei...

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