Entscheidungsstichwort (Thema)

Spruchstellenverfahren, Ablösung eines Gewinnabführungsvertrags durch einen Beherrschungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließen dieselben Vertragsparteien einen Unternehmensvertrag, in dem ein Gewinnabführungsvertrag durch einen Beherrschungsvertrag abgelöst wird, dann begründet der Beherrschungsvertrag Ausgleichs- und Abfindungsansprüche, die ein neues Spruchstellenverfahren zur Folge haben können.

2. Zur Frage einer Nebenintervention im Spruchstellenverfahren.

 

Normenkette

AktG § 306; ZPO § 66

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 21647/99)

 

Tenor

Die sofortigen Beschwerden gegen den Beschluss des LG München I vom 2.5.2000 werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Bestimmung der vertraglich geschuldeten Abfindung und des vertraglich geschuldeten Ausgleichs aufgrund des zwischen den Antragsgegnerinnen geschlossenen Beherrschungsvertrags.

Der Antragsteller ist Aktionär der B. AG (Antragsgegnerin zu 1)). Diese ist eine Tochtergesellschaft der S. KG (Antragsgegnerin zu 2)). Die B. AG schloss mit der S. KG am 19.8.1982 einen Gewinnabführungsvertrag, in dem sich die B. AG verpflichtete, nach näherer Maßgabe des § 2 dieses Vertrags jeweils den gesamten jährlichen Handelsbilanzgewinn an die S. KG abzuführen. Nach § 1 Abs. 2 des Vertrages ist die S. KG geschäftsleitende Holding-Gesellschaft für die B. AG. § 1 Abs. 3 des Vertrages sah in seiner ursprünglichen Fassung vor, dass während der Laufzeit des Vertrages ein Mitglied des Vorstands der B. AG stets zugleich Mitglied der Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafterin der S. KG sein solle und gegen seine Stimme in Angelegenheiten, die die B. AG betrafen, nicht entschieden werden könne. Bezüglich des Ausgleichsanspruchs und der Abfindung der Aktionäre aus diesem Vertrag wurde ein Spruchstellenverfahren durchgeführt, das zu einer Erhöhung der in dem Vertrag vorgesehenen Abfindung führte (LG München, Beschl. v. 25.1.1990 – 17 HKO 17002/82, DB 1990, 518 und BayObLG, Beschl. v. 19.10.1995 – 3Z BR 17/90, DB 1995, 2590).

Am 15.6.1999 schlossen die B. AG und die S. KG eine „Änderungsvereinbarung”. Darin wurde der Gewinnabführungsvertrag vom 19.8.1982 mit Wirkung ab 1.1.2000 unter anderem in § 1 Nr. 3 abgeändert. Die Klausel lautet nunmehr wie folgt:

„Die B. AG unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft der S. KG als herrschendem Unternehmen. Die S. KG ist berechtigt dem Vorstand der B. AG in Bezug auf die Leitung der Gesellschaft alle ihr zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen. Der Vorstand der B. AG wird diesen Weisungen Folge leisten.”

Die Verpflichtung zur Gewinnabführung entfiel. Die Bestimmungen der § 3 (Ausgleich) und § 4 (Abfindung) des Vertrags vom 19.8.1982 blieben unverändert. Die Hauptversammlung der B. AG stimmte der Abänderungsvereinbarung am 3.8.1999 zu. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 18.11.1999.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass durch die „Änderungsvereinbarung” vom 15.6.1999 der Gewinnabführungsvertrag vom 19.8.1982 aufgehoben und an seiner Stelle ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen worden sei. Er habe deshalb Anspruch auf Ausgleich und Abfindung. Dem stehe nicht entgegen, dass hinsichtlich des Gewinnabführungsvertrages ein Spruchstellenverfahren durchgeführt worden sei.

Er beantragt, gem. §§ 304 bis 306 AktG den vertraglich geschuldeten Ausgleich und die vertraglich zu gewährende Abfindung aufgrund des Beherrschungsvertrages … vom 15.6.1999 zu bestimmen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen die Zurückweisung des Antrags.

Sie sind der Meinung, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines Spruchstellenverfahrens nicht erfüllt seien. Es läge weder der Neuabschluss eines unter § 304 AktG fallenden Unternehmensvertrages vor noch eine Änderung eines bestehenden Unternehmensvertrages, die einer Zustimmung der außenstehenden Aktionäre gem. § 295 Abs. 2 AktG bedurft hätte. Durch die „Änderungsvereinbarung” vom 15.6.1999 sei nur die Verpflichtung zur Gewinnabführung gestrichen und statt dessen ausdrücklich die Beherrschung der B. AG durch die S. KG festgeschrieben worden. Insbesondere bezüglich der Ausgleichs- und Abfindungsregelungen in den §§ 3 und 4 gelte der Vertrag vom 19.8.1982 weiter fort.

Das LG hat mit Beschl. vom 2.5.2000 ausgesprochen, dass ein aktienrechtliches Spruchstellenverfahren zur gerichtlichen Bestimmung des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung auf Grund der Vereinbarung vom 15.6.1999 durchzuführen sei.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der B. AG und der S. KG.

Mit Schriftsatz vom 17.6.2000 schloss sich die M. GmbH, eine Aktionärin der Antragsgegnerin zu 1), als Nebenintervenientin auf Seiten des Antragstellers dem Verfahren an. Laut Eintragung in das Handelsregister vom 30.6.2000 ist der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 19.8.1982 mit Änderung vom 3.8.1999 durch Kündigung vom 20.6.2000 mit sofortiger Wirkung beendet.

II. 1. Die Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen sind zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob hier di...

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