Leitsatz (amtlich)

Wendet sich ein vermeintlicher gesetzlicher Miterbe gegen einen Vorbescheid, der die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten eines Testamentserben ankündigt, bemisst sich sein für den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens maßgebliches wirtschaftliches Interesse i.d.R. nach seinem Anteil am Reinnachlass.

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 10.06.2003; Aktenzeichen 5 T 5460/02)

AG Augsburg (Aktenzeichen VI 1312/02)

 

Tenor

Die Beschwerden gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 10.6.2003 werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Durch notarielles Testament vom 30.9.1997 setzte die Erblasserin den Beteiligten zu 1), der seit 1994 ihr Betreuer im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge war, als Alleinerben ein. Als sie am 17.4.2000 verstarb, hinterließ sie eine Schwester und einen Bruder, den Beteiligten zu 2). Von einer weiteren Schwester, die vor der Erblasserin verstorben war, gibt es fünf Abkömmlinge.

Ob die Erblasserin bei Errichtung des Testaments testierfähig war, war Gegenstand des Streits der beiden Beteiligten. Das AG erließ am 12.1.2001 einen Vorbescheid des Inhalts, dass es die Erteilung eines Erbscheins beabsichtige, der den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweist. Hiergegen legte der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 6.2.2001 Beschwerde ein. Am 1.7.2002 hob das AG nach durchgeführter Beweisaufnahme seinen Beschluss vom 12.1.2001 auf und kündigte die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge an. Gegen diesen Vorbescheid legte der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 18.7.2002 Beschwerde ein. Dieser Beschwerde half das AG am 19.12.2002 ab, indem es seinen Beschluss vom 1.7.2002 aufhob und entschied, dass „der Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 6.2.2001 gegen den Beschluss vom 12.1.2001 nunmehr nicht mehr abgeholfen”, diese vielmehr „dem LG zur Entscheidung vorgelegt” werde.

Nachdem sich beide Beteiligte außergerichtlich geeinigt hatten, nahm der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 16.5.2003 seine Beschwerde zurück. Der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1) beantragte mit Schriftsatz vom 3.6.2003, den Beschwerdewert auf 235.000 Euro festzusetzen. Am 10.6.2003 hat das LG den Beschwerdewert auf 75.000 Euro festgesetzt. Hiergegen legten die Verfahrensbevollmächtigten beider Beteiligter Beschwerde ein mit dem Ziel, den „Streitwert” auf 227.763,21 Euro, den angenommenen Wert des reinen Nachlasses, festzusetzen.

II. Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet.

1. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 31 Abs. 3 S. 1 KostO). Es handelt sich dabei um eine Erstbeschwerde (BayObLG v. 3.6.1992 – 2Z BR 24/92, BayObLGZ 1992, 171 [172] = BayObLGReport 1993, 9). Ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter hat nach § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO ein eigenes Beschwerderecht (BayObLG BayObLGZ 2003, 87 [88]).

Gemäß § 131 Abs. 2 KostO richtet sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens nach § 30 KostO. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen Nachlasssachen gehören, ist der Wert des Beschwerdegegenstands regelmäßig nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist, wenn besondere Umstände nicht vorliegen, die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insb. das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die in der Kostenordnung enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkte herangezogen werden. Als solcher dient insb. der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 2 S. 1 KostO; BayObLG BayObLGZ 1993, 115 [117]). Ist der Rechtsmittelführer, der sich gegen einen Testamentserben wendet, im Falle gesetzlicher Erbfolge lediglich Miterbe, bemisst sich sein wirtschaftliches Interesse i.d.R. nach seinem Anteil am Nachlass.

2. Demnach hat das LG den Geschäftswert zutreffend mit rund einem Drittel des reinen Nachlasswertes, der als solcher von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wird, angenommen.

Die dem LG vorgelegte Beschwerde ist die des Beteiligten zu 2), der bei gesetzlicher Erbfolge neben seiner Schwester E. und den Kindern seiner verstorbenen Schwester A. zu 1/3 erben würde (§ 1922 Abs. 1, § 1925 Abs. 1 und 3 S. 1, § 1924 Abs. 3 und 4 BGB). Im Schriftsatz vom 29.12.2000 hat sein Verfahrensbevollmächtigter unter entspr. Vollmachtsvorlage angezeigt, dass er den Beteiligten zu 2) vertritt. Demnach kann die mit Schriftsatz vom 6.2.2001 eingelegte Beschwerde nur als Rechtsmittel des Beteiligten zu 2) verstanden werden. Dass später Vollmachten der Schwester E. sowie der Nichte und der Neffen vorgelegt wurden, wonach der Beteiligte zu 2) sie im Nachlassverfahren vertreten kann, ändert daran nichts. Der damit im Zusammenhang stehende Erbscheinsantrag vom 19.4.2002 wurde wiederum nur namens des Beteiligten zu 2) gestellt (§ 2357 Abs. 1 S. 2 BGB). Danach wurde auch nur „für den Beteiligt...

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