Leitsatz (amtlich)

1. Die auf § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB gestützte Anordnung der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen ist unzulässig, wenn bereits ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung und Sorge für die Gesundheit bestellt und nicht verhindert ist.

2. Auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gehört die Anhörung des Betroffenen zu den durch Art. 104 Abs. 1 GG zum Verfassungsgebot erhobenen Verfahrensgrundsätzen.

 

Normenkette

FGG §§ 70h, 69f Abs. 1; BGB § 1846

 

Verfahrensgang

AG Lindau (Bodensee) (Beschluss vom 12.08.1999; Aktenzeichen XVII 77/99)

LG Kempten (Beschluss vom 10.08.1999; Aktenzeichen 4 T 1369/99)

AG Lindau (Bodensee) (Beschluss vom 07.07.1999; Aktenzeichen XVII 77/99)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10. August 1999 wird zurückgewiesen.

II. Auf die sofortigen weiteren Beschwerden werden die Beschlüsse des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. Juli 1999 und 12. August 1999 aufgehoben.

III. Es wird festgestellt, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringung gemäß Beschluß des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) vom 8. Juni 1999 und deren Verlängerung durch Beschluß des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) vom 19. Juli 1999 nicht rechtmäßig erfolgt sind.

 

Tatbestand

I.

Am 7.5.1999 bestellte das Amtsgericht auf der Grundlage eines Gutachtens vom 25.11.1997 für die Betroffene durch eilige einstweilige Anordnung mit sofortiger Wirksamkeit bis 6.11.1999 einen Rechtsanwalt zum vorläufigen Betreuer. Als dessen Aufgabenkreise bestimmte es die Sorge für die Gesundheit der Betroffenen, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge.

Mit Beschluß vom 23.7.1999 beauftragte das Amtsgericht einen im Bezirkskrankenhaus tätigen Arzt mit der Erstellung eines Gutachtens zu den Voraussetzungen einer Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten. Die Beschwerde der Betroffenen hiergegen verwarf das Landgericht am 10.8.1999. Dagegen legte die Betroffene weitere Beschwerde ein.

Mit für sofort wirksam erklärtem Beschluß vom 30.7.1999 erweiterte das Amtsgericht den Aufgabenkreis des Betreuers auf die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post und die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr, Aufenthaltsbestimmung für nervenärztliche Behandlung und Wohnungsangelegenheiten. Ferner ordnete es für Willenserklärungen der Betroffenen im Aufgabenkreis Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt an.

Am 8.6.1999 ordnete das Amtsgericht gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 19.7.1999 an, weil die Gefahr bestehe, daß sich die chronische Psychose der Betroffenen ohne Unterbringung verfestigen werde. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen hiergegen hat das Landgericht am 7.7.1999 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Am 19.7.1999 ordnete das Amtsgericht die Verlängerung der vorläufigen Unterbringung bis 16.8.1999 an. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen faßte das Landgericht am 12.8.1999 den Beschluß,

nach dem zum einen der Unterbringungsbeschluß vom 19.7.1999 aufgehoben wurde und zum anderen gleichzeitig die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den gleichen Unterbringungsbeschluß verworfen wurde.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen. Sie erstrebt die Feststellung, daß die Unterbringung an sich rechtswidrig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig, auch soweit das Landgericht in seinen Beschlüssen vom 10. und 12.8.1999 die Erstbeschwerden der Betroffenen als unzulässig verworfen hat. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein weiteres Rechtsmittel regelmäßig dann zulässig, wenn das erste als unzulässig verworfen wurde (BayObLGZ 1993, 253/255).

1. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 10.8.1999 ist nicht begründet. Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, daß die Anordnung allein der Erholung eines Sachverständigengutachtens zu den Voraussetzungen der Verlängerung einer Betreuung und der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts als Zwischenverfügung nicht anfechtbar ist (BayObLG FamRZ 1996, 499 LS; 1998, 436; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 19 FGG Rn. 13).

2. Die sofortigen weiteren Beschwerden gegen die Beschlüsse der Kammer vom 7.7.1999 und 12.8.1999 führen zu der Feststellung, daß die vom Amtsgericht angeordnete vorläufige Unterbringung und deren Verlängerung nicht rechtmäßig waren.

Dieser Sachentscheidung steht nicht entgegen, daß Hauptsacheerledigung eingetreten ist, bezüglich der ersten Anordnung der Unterbringung gemäß dem Beschluß des Amtsgerichts vom 8.6.1999 durch Fristablauf (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 320/321; 1995, 488 LS) und hinsichtlich der am 19.7.1999 angeordneten Verläng...

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