Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betreuung darf Angelegenheiten nicht erfassen, die der Betreute noch selbst besorgen kann.

2. Der Begriff „Aufgabenkreise” in § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB schließt es nicht aus, dem Betreuer nur eine einzige oder wenige einzelne Angelegenheiten zuzuweisen.

3. Ein Betreuungsbedürfnis besteht nicht schon dort, wo auch ein gesunder Volljähriger sich der Hilfe eines anderen (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) bedienen würde. Nur wenn der Betroffene psychisch außer Stande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen, kommt die Anordnung eines Betreuers in Betracht.

 

Normenkette

BGB §§ 1896, 1908d; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 2141/00)

AG Landau a.d. Isar (Aktenzeichen XVII 206/96)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 29. September 2000 und der Beschluß des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 15. Juni 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Landau a.d. Isar zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Für den Betroffenen ist ein Betreuer bestellt. Die Betreuung erstreckte sich zunächst auf sämtliche Aufgabenkreise. Am 16.8.1999 verlängerte das Amtsgericht die Betreuung bis 16.8.2004. Am 15.6.2000 beschränkte es die Betreuung auf die Aufgabenkreise Zuführung zur nervenärztlichen Behandlung, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der am 10.11.2000 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingelegten weiteren Beschwerde, mit der er die vollständige Aufhebung der Betreuung anstrebt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 69i Rn. 35) ist in der Sache begründet. Es führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, es lägen lediglich die Voraussetzungen für eine Einschränkung, nicht aber für eine völlige Aufhebung der Betreuung vor. Die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 BGB für die Anordnung der Betreuung seien dem Grunde nach weiterhin vorhanden. Trotz des entgegenstehenden Attestes des Hausarztes bestehe insoweit kein Zweifel. Zwar habe auch der Facharzt Dr. E. in seinem Gutachten vom 15.12.1999 angegeben, er könne eine Demenz nicht objektivieren und es gebe nicht einmal einen sicheren Hinweis auf deren Vorliegen. Nach dem Gutachten der Fachärztin Dr. U. vom 15.5.2000 liege eine vaskuläre Demenz mit organischer Wesensänderung und wechselnd ausgeprägtem dementiellen Syndrom vor. Die Sachverständige Dr. N. habe eine kognitive Störung im Bereich des leichten dementiellen Syndroms festgestellt. Sie halte eine Betreuung mit dem Wirkungskreis Vermögensverwaltung weiterhin für angebracht, meine aber, daß man einen anderen Betreuer suchen sollte. Nach Auffassung der Kammer sei die Betreuung für Vermögensangelegenheiten sowie für die nervenärztliche Behandlung weiter geboten. Dies ergebe auch die Diskussion der Kammer mit dem Betroffenen in der Anhörung vom 27.9.2000. Die komplexen Gründe, die zum Verkauf von Grundstücken des Betroffenen beigetragen hätten, seien diesem nicht zu vermitteln gewesen. Angesichts des nicht unerheblichen Vermögens scheine der Betroffene in solchen Dingen fremder Hilfe zu bedürfen. Auch im Hinblick auf die Medikamenteneinnahme scheine eine entsprechende Compliance beim Betroffenen nicht dauerhaft zu gewährleisten zu sein. Der Verlauf der Diskussion mit dem Betroffenen habe klar zu erkennen gegeben, daß die ihm im Rahmen der bestimmten Aufgabenkreise der Betreuung angebotene Hilfe erforderlich sei, um dem Betroffenen ein möglichst unbeschwertes Leben in Freiheit zu ermöglichen. Die krankheitsbedingt beim Betroffenen immer bestehende Gefahr, ins Bezirkskrankenhaus oder in eine behütende Einrichtung eingewiesen zu werden, könne durch die Betreuung im vorliegenden Fall zumindest verringert werden. Dies stehe im vordringlichen Interesse des Betroffenen. Seine Sorge, durch die Betreuung werde in seine Ehre eingegriffen, sei zwar menschlich verständlich, rechtlich aber nicht relevant und in der Sache auch nicht begründet. Die Betreuung sei ein Instrument zur Unterstützung des Betroffenen zur Gestaltung eines möglichst unbeschwerten Lebens.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Nach § 1908d Abs. 1 BGB ist die Betreuung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung ist, daß ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, ...

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