Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien für den Fall fehlender Einigung auf einen Vorsitzenden des Schiedsgerichts vereinbart, dass der Vorschlag eines Dritten die Parteien unanfechtbar binden soll, und verweigert der Dritte die Bestimmung des Vorsitzenden nur deshalb, weil eine der Parteien seine Vorschlagskompetenz bestreitet, so ist wegen des noch möglichen Erfolgs des Bestellungsverfahrens der Parteien noch kein Vorsitzender durch das Gericht zu bestellen, sondern anzuordnen, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, der Benennung eines Vorsitzenden durch den Dritten zuzustimmen.

 

Normenkette

ZPO § 1035 Abs. 4

 

Tenor

I. Die Antragsgegner sind verpflichtet, der Benennung eines Vorsitzenden des Schiedsgerichts durch den Präsidenten des LG Augsburg für das von der Antragstellerin beabsichtigte schiedsrichterliche Verfahren zuzustimmen.

II. Der Hauptantrag wird abgelehnt.

III. Die Kosten dieses Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Streitwert wird auf 40.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien betreiben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts seit 1.10.1993 eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis. Die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien sind in einem Gesellschaftsvertrag vom 30.10.1993 näher geregelt. Für die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis, die durch ein vorgängiges berufskollegiales Schlichtungsverfahren nicht ausgeräumt werden können, ist die Zuständigkeit eines auf Antrag eines Vertragspartners zu bildenden Schiedsgerichts vereinbart.

Die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts, seine Konstituierung und die Verfahrensgestaltung sind in einem als Anlage zum Gesellschaftsvertrag genommenen Schiedsvertrag vom 30.10.1993 gesondert geregelt. Danach besteht das Schiedsgericht aus drei Personen, nämlich je einem Beisitzer von der streitenden Partei und der Gegenpartei sowie einem nach Möglichkeit einvernehmlich zu benennenden Vorsitzenden. Hinsichtlich dieses Vorsitzenden enthält § 3 des Schiedsvertrages vom 30.10.1993 folgende Regelung:

1. a) Der Vorsitzende (Schiedsrichter), der die Befähigung zum Richteramt haben muss, ist nach Möglichkeit im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien und den von ihnen benannten Beisitzern zu benennen.

b) Er soll sowohl über prozessuale, als auch über arztrechtliche Kenntnisse verfügen.

2. a) Kommt keine Einigung zustande, so soll der Vorsitzende des Schiedsgerichts auf Antrag einer Vertragspartei oder eines Beisitzers von einem auf diese Dinge spezialisierten ärztlichen Berufsverband wie z.B. dem Verband zur Förderung ärztlicher Kooperationsformen e.V. oder vom Präsidenten des für den Sitz der Arztpraxis zuständigen Landgerichtes benannt werden.

b) Der Vorschlag des Präsidenten des zuständigen LG bindet die Parteien unanfechtbar, wenn der Schiedsrichter die Berufung annimmt.

3. a) Das Schiedsgericht tagt am Ort des LG, das für den Sitz der Gemeinschaftspraxis zuständig ist, es sei denn, der Schiedsrichter und die Beisitzer bestimmen übereinstimmend einen anderen Tagungsort.

b) Durch eine Verlegung gem. vorstehend a) dürfen keine Mehrkosten entstehen.

4. Soweit die Mitwirkung eines ordentlichen Gerichts erforderlich ist, ist das LG ausschließlich zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Gemeinschaftspraxis liegt.

Zu Beginn des Jahres 2001 kam es zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern zu tief greifenden Streitigkeiten u.a. über die Art der Gewinnverteilung und die Arbeitsleistung der Antragstellerin, die schließlich in einem Ausschluss der Antragstellerin aus der Gemeinschaftspraxis gipfelten. Ein durchgeführtes Schlichtungsverfahren scheiterte.

Die Antragstellerin erstrebt nunmehr die Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens, mit dem sie u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit ihres Ausschlusses aus der Gemeinschaftspraxis, die vertragsgemäße Überweisung der eingenommenen Honorare auf die vereinbarten Gemeinschaftskonten sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Antragsgegner hinsichtlich der Folgen eines angeblich rechtswidrigen Gesellschaftsbeschlusses erreichen will.

Die Parteien haben je einen Beisitzer für das Schiedsgericht benannt. Eine einvernehmliche Benennung des Vorsitzenden ist trotz mehrfacher wechselseitiger Vorschläge der Parteien gescheitert.

Mit einem Schreiben vom 11.12.2001 baten die Antragsgegner den Verband zur Förderung ärztlicher Kooperationsformen e.V. (VFK) um die Benennung eines Vorsitzenden. Der Verband schlug daraufhin den Rechtsanwalt R. vor, den die Antragstellerin aber schon bei einem früheren Einigungsversuch abgelehnt hatte.

Da die Antragstellerin an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber R. festhielt, teilten die Antragsgegner mit, dass sie die Bestimmung des Obmanns durch den VFK als bindend ansähen. Dieser Auffassung widersprach die Antragstellerin mit dem Hinweis, dass nach § 3 Abs. 2b des Schiedsvertrages nur der Vorschlag des Präsidenten des LG Augsburg bindend sei.

Mit Schreiben vom 29.1.2002 bat die Antragstellerin den Präsidenten des LG um Benennung des Obmanns...

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