Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Erblasser seine Geschwister testamentarisch zu Erben berufen und sind einige der eingesetzten Erben vor dem Erbfall verstorben, ist § 2069 BGB nicht entsprechend anwendbar. Vielmehr ist das Testament auszulegen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2069

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Beschluss vom 25.07.1996; Aktenzeichen T 111/96)

AG Deggendorf (Beschluss vom 31.05.1996; Aktenzeichen VI 23/96)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5 werden die Beschlüsse des Landgerichts Deggendorf vom 25. Juli 1996 und des Amtsgerichts Deggendorf vom 31. Mai 1996 aufgehoben.

II. Die Sache wird an das Amtsgericht Deggendorf zurückgegeben.

 

Tatbestand

I.

Die im Alter von fast 68 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Ihr Nachlaß besteht aus einem Hausgrundstück im Wert von ca. 263 000 DM und Bankguthaben im Wert von ca. 306 000 DM.

Die Erblasserin war das fünfte von sieben Geschwistern. In einem privatschriftlichen Testament vom 16.9.1984 hat sie folgendes verfügt:

Ich … bestime nach meinen Tode das mein Haus, samt Garten meinen Bruder Johan … bekommen soll. Er darf aber das Haus u den Nebengrund nicht verkaufen davür mus er die Kosten der Beerdigung tragen wie üblich Allerheiligen das Grab zieren u auf Jahre hinaus u auch unter dem Jahren das Grab schön pflegen … Die anderen Geschwister bekomen das Geld was ich nicht weis wie viel ich noch brauch. Johan … braucht den Geschwister vom Haus nichts auszahlen. Das ist mein letzter Wille.

Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung war ein kinderloser Bruder der Erblasserin bereits nicht mehr am Leben. Von den übrigen Geschwistern lebt nur noch der Beteiligte zu 1, die anderen sind in der Zeit zwischen Testamentserrichtung und Erbfall verstorben. Die Beteiligten zu 10 und 11 sind die Kinder des im Testament ausdrücklich aufgeführten, jedoch vorverstorbenen Bruders Johann, die übrigen Beteiligten sind Kinder der drei anderen vorverstorbenen Geschwister.

Die Beteiligten zu 1, 10 und 11 haben einen Erbschein beantragt, der sie als Erben zu 54/100 (Beteiligter zu 1) und je 23/100 (Beteiligte zu 10 und 11) ausweisen soll. Sie sind der Meinung, daß die Beteiligten zu 10 und 11 nach dem Willen der Erblasserin als Abkömmlinge des im Testament genannten Bruders Johann an dessen Stelle Erben geworden seien. Hingegen sei das Geldvermögen dem Beteiligten zu 1 angewachsen, da die übrigen insoweit eingesetzten Geschwister vor dem Erbfall verstorben und deren Abkömmlinge nicht zu Ersatzerben berufen seien.

Der Beteiligte zu 5 hat einen Erbschein beantragt, der die Beteiligten zu 10 und 11 als Erben zu je 23/100, den Beteiligten zu 1 als Erben 13,5/100, die Beteiligten zu 8 und 9 als Erben zu je 6,75/100 und die übrigen Beteiligten als Erben zu je 4,5/100 ausweisen soll. Er ist, ebenso wie die Beteiligten zu 6 und 7, der Ansicht, daß die Erblasserin ihre Geschwister jeweils als erste ihres Stammes bedacht habe und daher alle Abkömmlinge der vorverstorbenen Geschwister zu Erben nach dem Anteil des Wertes des ihnen Zugewendeten zum Gesamtnachlaß berufen seien.

Das Nachlaßgericht hat durch Vorbescheid einen Erbschein entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1, 10 und 11 angekündigt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 5 bis 7 jeweils Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Rechtsmittel mit Beschluß vom 25.7.1996 zurückgewiesen, ohne die übrigen Beteiligten über das Rechtsmittelverfahren zu unterrichten oder ihnen die Beschwerdeentscheidung zu übermitteln. Der Beteiligte zu 5 hat gegen die Entscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt. Ein Erbschein ist bisher nicht erteilt worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Kinder des in dem Testament genannten Bruders Johann, die Beteiligten zu 10 und 11, seien nach dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin zu Ersatzerben bestimmt. Dies ergebe sich aus dem dem Testament entnehmbaren Willen der Erblasserin, daß das Haus in der Familie ihres Bruders bleiben solle, und daß der Hauserbe die Grabpflege übernehmen solle. Dagegen seien in dem Testament keine Anhaltspunkte dafür zu finden, daß auch die Kinder der übrigen vorverstorbenen Geschwister zu Ersatzerben berufen seien. Die Vererbung des Geldes sei für die Erblasserin gegenüber der Vererbung des Hauses von nachgeordneter Bedeutung gewesen. Das Geld sei im Testament nur mit einem Satz erwähnt. Der Hauserbe sei von etwaigen Zahlungspflichten freigestellt. Auch hätten die Geschwister nur das Geld erhalten sollen, das beim Erbfall noch übrig gewesen sei. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß die Erblasserin mit dem verbliebenen Geld ihren überlebenden Geschwistern eine kleine Zuwendung habe machen wollen. Unter diesen Umständen erscheine es ausgeschlossen, daß sie für den Fall des Ablebens eines ihrer Geschwister dessen Nachkömmlinge zu Ersatzerben habe bestellen wollen. Daher sei insoweit das Geldvermögen dem Beteiligten zu 1 angewachsen...

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