Leitsatz (amtlich)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, wenn ein der Partei zurechenbares Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zur Fristversäumung beigetragen hat.

2. Die gesetzliche Vermutung des § 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG, wonach fehlendes Verschulden hinsichtlich der Fristversäumung vermutet wird, wenn mit der angegriffenen Entscheidung keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden ist, hebt nicht das Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung auf.

3. Der Umstand, dass die um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchende Person anwaltlich vertreten ist, schließt nicht stets die für die Wiedereinsetzung notwendige Kausalität zwischen dem Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung und dem Versäumen der Einlegungsfrist aus.

4. Bei einem Rechtsanwalt, der sich in einer Hinterlegungsangelegenheit mandatieren lässt, dürfen Kenntnisse, welche die Grundzüge des Verfahrens betreffen, vorausgesetzt werden.

 

Verfahrensgang

AG N. (Aktenzeichen 70 3 HL 26/20)

 

Tenor

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

III. Der Geschäftswert wird auf 1.693,18 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Antrag vom 6. Februar 2020, persönlich abgegeben am selben Tag, beantragte die Antragstellerin bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts N., einen Betrag von 1.693,18 EUR zur Hinterlegung anzunehmen. Zur Rechtfertigung der Hinterlegung schilderte sie folgenden Sachverhalt:

Hintergrund sei die an sie gerichtete "Rechnung" des Notars H. vom 29. Januar 2020, lautend auf insgesamt 1.693,18 EUR. Die Rechnung enthalte Positionen, die sich auf unzulässige Maßnahmen bezögen, und zwar einen Betrag von 10,61 EUR für die Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Kostenrechnung und einen Betrag von 27,00 EUR für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek im Grundbuch. Diese Eintragung sei rechtswidrig, weil sie auf der Grundlage eines vom Notar für sich selbst trotz laufenden Kostenprüfungsverfahrens ausgestellten Vollstreckungstitels bewirkt worden sei. Eine Löschung der Zwangshypothek sei trotz ihres Widerspruchs nicht erfolgt. Gegen den Notar seien außerdem vor dem Amtsgericht N. mehrere Schadensersatzklagen in einer die Kostenforderung weit übersteigenden Höhe anhängig. Deshalb werde die Aufrechnung "mit" den Forderungen des Notars erklärt.

Die Hinterlegung sei aus Sicherungsgründen erforderlich, weil eine Erfüllung nur Zug um Zug gegen die Löschung [gemeint: der Zwangshypothek] und [die Erteilung einer entsprechenden] Löschungsbewilligung erfolgen dürfe. Als mögliche Empfänger kämen der Notar und - mit Blick auf die erklärte Aufrechnung sowie wegen Löschungsverweigerung - sie, die Antragstellerin selbst, in Betracht. Der Gläubiger [Notar] sei zu folgenden Gegenleistungen verpflichtet: "Rechnungskorrektur, Rücknahme der Grundbucheintragung einer Zwangssicherungshypothek, Löschungsantrag und Löschungsbewilligung. Löschung und Freistellung Zug um Zug". Auf das Recht zur Rücknahme verzichte sie nicht.

Dem Antrag fügte die Antragstellerin die Kopie einer Zahlungsaufforderung des Notars vom 29. Januar 2020 bei, außerdem gerichtliche Hinweise vom 15. Januar 2020 sowie 17. Januar 2020, alles versehen mit handschriftlichen Anmerkungen.

Die unter dem Briefkopf der Notare H. und Dr. L. in N. erstellte und von Notar H. unterschriebene Zahlungsaufforderung vom 29. Januar 2020 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Meine Kostenrechnung vom 10.08.2016

Sehr geehrte Frau ...,

nachdem das Oberlandesgericht ... nunmehr Ihre Kostenbeschwerde zurückgewiesen hat, bitte ich um Überweisung des offenen Betrags von 1.693,18 EUR auf das Konto der Notare ... L. und ... H. ... bei ... Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Kostenforderung 1.562,47 EUR

(...)"

Ergänzend gab die Antragstellerin mit Fax vom selben Tag zur Begründung der Hinterlegung an, die Vorbeurkundung sei im Juli 2016 im damaligen Notariat L. und H. in Sch. erfolgt und unter dem 21. Oktober 2016 in Rechnung gestellt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Notariat H. und L. in N. eine weitere Rechnung aus dem gleichen Grund stelle und für das N.er Notariat einfordere. Unklar sei, ob der Notar nach seinem Ausscheiden befugt sei, das Sch. Notariat betreffende Verfügungen zu treffen und insbesondere Forderungen zu erheben und einzuziehen. Der Antragstellerin sei absolut unklar, wer hier der tatsächliche und alleinige Forderungsinhaber sei und welche Forderungsbefugnisse den einzelnen Beteiligten zustünden. Deshalb sei zur Sicherung der schuldbefreienden Wirkung die "Forderung" zu hinterlegen.

Beigefügt wurde (erneut) die an die Antragstellerin gerichtete Zahlungsaufforderung vom 29. Januar 2020 und eine unter dem Briefkopf der Notare H. und Li. in Sch. verfasste Kopie vom 25. September 2017 betreffend eine Kostenrechnung mit der Nr. "H 13894/2/1 - 2016 vom 10.08.2016" über einen Betrag von...

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