Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums eine optische Beeinträchtigung darstellt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters.

2. Ab dem Zeitpunkt des Entstehens einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist der teilende Alleineigentümer (Bauträger) nicht mehr berechtigt, einseitig Änderungen am Bauwerk vorzunehmen.

3. Die Ermächtigung des Verkäufers in einem Kaufvertrag über Wohnungseigentum, die Teilungserklärung zu ändern, soweit dadurch das Kaufobjekt nicht berührt wird, berechtigt nicht zur Begründung von Sondernutzungsrechten an Teilen des Gemeinschaftseigentums.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1, § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 14.02.2003; Aktenzeichen 4 T 2601/01)

AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen UR II 16/98)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 14. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen und die den Antragstellern und der weiteren Beteiligten zu 1 im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller, der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer gem. Teilungserklärung vom 23.2.1996 von der Streithelferin des Antragsgegners errichteten Wohnanlage. Den Antragstellern gehört die Wohnung Nr. 8, dem Antragsgegner gehören die Wohnungen Nr. 4 und 5.

Die Antragsteller kauften ihre Wohnung am 13.5.1996. Am 12.6.1996 wurde für sie eine Eigentumsvormerkung eingetragen. Bezogen wurde die Wohnung von ihnen am 20.12.1996.

Der Antragsgegner kaufte seine Wohnungen am 20.9.1996. Eine Eigentumsvormerkung wurde für ihn am 2.10.1996 eingetragen und bezogen wurden die Wohnungen am 27.2.1997.

Mitte Februar 1997 wurde an den beiden Wohnungen des Antragsgegners auf dessen Veranlassung von seiner Streithelferin Balkone angebracht, die in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen sind.

In dem Kaufvertrag mit dem Antragsgegner wurde diesem in Abweichung von der Teilungserklärung von 1996 ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche und an einem Keller eingeräumt. Der Antragsgegner errichtete auf der Sondernutzungsfläche ein Gartenhaus samt Zaun und nahm den Keller in Besitz.

In dem Kaufvertrag der Antragsteller ist der Verkäufer, die Streithelferin des Antragsgegners, ermächtigt, die Teilungserklärung zu ändern oder zu ergänzen, „soweit diese Änderungen oder Ergänzungen das Kaufobjekt nicht berühren”.

Am 13.3.1997 änderte die Streithelferin des Antragsgegners die Teilungserklärung vorbehaltlich der Genehmigung der Antragsteller ab. Diese Genehmigung wurde nicht erteilt.

Die Antragsteller haben unter anderem beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, das Gartenhaus einschl. Zaun und sonstige dort befindliche Gegenstände sowie den im Gemeinschaftseigentum stehenden Keller zu räumen und die Balkone zu entfernen. Die weitere Beteiligte zu 1 hat sich dem Antrag auf Entfernung der Balkone angeschlossen. Das AG hat diesen Anträgen am 23.10.2001 unter Abweisung weiterer Anträge stattgegeben. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners und seiner Streithelferin dagegen durch Beschluss vom 14.2.2003 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des AG ausgeführt: Die Gartenfläche und der streitige Keller seien nach der Teilungserklärung von 1996 Gemeinschaftseigentum. Damit sei es unzulässig, dass der Antragsgegner diese allein nutze und ein Gartenhaus samt Zaun errichtet habe. Ein Sondernutzungsrecht bestehe jedenfalls nicht, weil die Änderung der ursprünglichen Teilungserklärung am 13.3.1997 von den Antragstellern nicht genehmigt worden sei.

Bei den Balkonen handle es sich um bauliche Veränderungen. Die Balkone seien nachträglich angebracht worden und in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen gewesen. Bei Anbringung der Balkone im Frühjahr 1997 habe bereits eine faktische Eigentümergemeinschaft bestanden. Damit habe die Streithelferin des Antragsgegners als Bauträgerin die Verfügungsbefugnis über die Bauausführung verloren. Die Balkone stellten eine erhebliche optische Beeinträchtigung der Wohnanlage dar.

Die Ermächtigung zur Änderung der Teilungserklärung in dem Kaufvertrag mit den Antragstellern umfasse die vorgenommenen Änderungen nicht, weil dadurch die Eigentumsrechte der Antragsteller ausgehöhlt würden. Denn die Änderungen beeinträchtigten den Wert des Wohnungseigentums der Antragsteller. Die Antragsteller seien daher auch nicht verpflichtet, der Änderung zuzustimmen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Balkone an den beiden Wohnungen des Antagstellers sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des LG (§ 27 ...

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