Leitsatz (amtlich)

Ein mit der Diplomprüfung erfolgreich abgeschlossenes sechs Semester umfassendes Studium an einer bayerischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) vermittelt bezüglich der dort gelehrten wirtschaftswissenschaftlichen und rechtlichen Kenntnisse für Betreuungen nutzbare Kenntnisse, die i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG durch eine einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbaren Ausbildung erworben sind.

 

Normenkette

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Aktenzeichen 43 T 117/02)

AG Bayreuth (Aktenzeichen XVII 112/01)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Bayreuth vom 25.10.2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte hat die dem Betreuer entstandenen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 718,22 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Für den vermögenslosen Betroffenen ist seit 11.5.2001 ein Betreuer mit umfangreichem Aufgabenkreis bestellt. Dieser beantragte mit Schreiben vom 15.7.2002 für den Zeitraum 11.5. bis 31.12.2001 u.a. Vergütung gem. einem beigefügten Einzelnachweis für 80,73 geleistete Stunden zu einem Stundensatz von 60 DM. Das AG hielt im Hinblick auf die geltend gemachte berufliche Qualifikation des Betreuers nur einen Stundensatz von 45 DM für angemessen und setzte unter entsprechender Kürzung den Gesamtbetrag aus Vergütung und Auslagenersatz auf 4.961,62 DM bzw. 2.536,65 Euro fest.

Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betreuers hat das LG mit Beschluss vom 25.10.2002 den Beschluss des AG dahingehend abgeändert, dass die Vergütung 3.254,87 Euro betrage. Die sofortige weitere Beschwerde wurde zugelassen.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Staatskasse das Ziel einer Herabsetzung der Vergütung auf den vom AG festgesetzten Betrag.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insb. vom LG zugelassen (§ 69e S. 1, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG). In der Sache hat es keinen Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Dem Betreuer stehe für den maßgeblichen Abrechnungszeitraum als Vergütung ein Stundensatz von 30,68 Euro (entspr. 60 DM) zu, weil er seine besonderen Kenntnisse, die für die Betreuung nutzbar sind, durch eine einer Hochschulausbildung vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BVormVG erworben habe.

Der Betreuer habe durch eine abgeschlossene Ausbildung an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Nürnberg das Diplom eines Betriebswirts (VWA) erworben. Nach den vom Betreuer vorgelegten Unterlagen habe diese Ausbildung ausweislich des Stundenplans sechs Semester mit über 350 Vorlesungsstunden an der Universität Bayreuth umfasst. Sie sei damit nach Umfang des Lehrstoffes und zeitlichem Aufwand mit einer Hochschulausbildung vergleichbar. Hierfür spreche auch die in vier Fächern abgelegte Abschlussprüfung.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Dass die Ausbildung des Betreuers ausweislich des von ihm vorgelegten Studienplanes der VWA Nürnberg für den im Oktober 1990 begonnenen Studiengang in ihren Pflichtvorlesungen insb. in den wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Abschnitten (z.B. Buchhaltung, Grundlagen der Bilanzierung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bürgerliches Recht I-III, Kolloquien zum Privatrecht I und II) besondere Kenntnisse vermittelte, die für Betreuungen nutzbar sind, bedarf keiner weiteren Begründung und wird auch vom Vertreter der Staatskasse nicht angegriffen.

b) Diese Kenntnisse wurden hier auch durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben, die nach den Regeln des Vergütungsrechts für berufsmäßige Betreuer einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar ist.

Einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG ist eine Ausbildung, wenn sie in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entspricht und einen formalen Abschluss aufweist. Wertungskriterien für die Vergleichbarkeit sind der zeitliche Aufwand, der Umfang des Lehrstoffs, die Ausgestaltung der Abschlussprüfung und insb. die dadurch erworbene berufliche Qualifikation, die auch in den Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen des öffentlichen Dienstes zum Ausdruck kommen kann (BayObLG v. 6.9.2000 – 3Z BR 214/00, BayObLGReport 2001, 5 = FamRZ 2001, 187).

Unter Heranziehung dieses Maßstabs ist es nicht zu beanstanden, dass das LG die von dem Betreuer absolvierte Ausbildung als einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar angesehen hat.

Die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) Nürnberg ist – ebenso wie die vier anderen in Bayern bestehenden Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien in München, Augsburg, Würzburg und Regensburg – eine Einrichtung der beruflichen Weiterbildung, die über ihren Trägerverein sowohl von der öffentlichen Hand als auch von der privaten Wirtschaft unterhalten wird. Das von ihr angebotene Akademiestudium soll nach eigener Programmaussage zu Beginn des Studienj...

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