Leitsatz (amtlich)

1. Wertungskriterien für die Vergleichbarkeit einer Ausbildung mit einer Hochschulausbildung sind neben dem zeitlichen Aufwand, dem Umfang des Lehrstoffes und der Ausgestaltung der Abschlußprüfung insbesondere die dadurch erworbene berufliche Qualifikation, die auch in Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen des öffentlichen Dienstes zum Ausdruck kommen kann.

2. Die mit der „Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte 1986” abgeschlossene Ausbildung an der Bayerischen Verwaltungsschule ist einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Beamtenfachhochschule und damit einer Hochschule vergleichbar.

 

Normenkette

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Entscheidung vom 16.06.2000; Aktenzeichen 3 T 61/00)

AG Forchheim (Entscheidung vom 28.03.2000; Aktenzeichen XVII 0263/99)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 16. Juni 2000 wird aufgehoben.

II. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluß des Amtsgerichts Forchheim vom 28. März 2000 wird zurückgewiesen.

III. Die dem Betreuer in den Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten werden der Staatskasse auferlegt.

IV. Der Geschäftswert der Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf jeweils 3 089,89 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht setzte mit Beschluß vom 28.3.2000 die dem Betreuer des Betroffenen für seine Tätigkeit vom 12.11.1999 bis 31.1.2000 aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung fest. Hierbei legte es einen Stundensatz von 60 DM zugrunde.

Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht dem Betreuer mit Beschluß vom 16.6.2000 lediglich einen Stundensatz von 45 DM zugebilligt und die festgesetzte Vergütung entsprechend ermäßigt.

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69 e Satz 1, § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG).

Es führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde der Staatskasse.

1. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel der Staatskasse mit der Begründung entsprochen, der Betreuer verfüge nicht über die für die Zubilligung eines Stundensatzes von 60 DM erforderliche Qualifikation. Im Rahmen seiner Ausbildung auf der Bayerischen Verwaltungsschule habe er keine besonderen, für die Führung von Betreuungen nutzbaren Kenntnisse erworben. Seine Kenntnisse in den Bereichen Kommunalrecht, kommunale Finanzwirtschaft, öffentliches Baurecht und Arbeits- und Tarifrecht im öffentlichen Dienst seien für die Führung von Betreuungen im wesentlichen nicht von Bedeutung. In den betreuungsrelevanten Bereichen Bürgerliches Recht und Sozialrecht seien nur Grundkenntnisse vermittelt worden, so daß insoweit ein einem Hochschul- oder Fachhochschulstudium vergleichbarer Wissensstand nicht vorliege.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Dem Berufsbetreuer (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB), dem für seine Tätigkeit wegen Mittellosigkeit des Betreuten Vergütung aus der Staatskasse zu gewähren ist (§ 1836a BGB), steht ein Stundensatz von 60 DM zu, wenn er über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt und diese durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG). Sind die entsprechend erworbenen besonderen Kenntnisse für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar, wird grundsätzlich vermutet, daß sie auch für das konkrete Betreuungsverfahren nutzbar sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG; vgl. hierzu Pfälz. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 551).

aa) „Besondere” Kenntnisse sind Kenntnisse, die – bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet – über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann (vgl. BayObLGZ 1999, 339/341; SchlHOLG FamRZ 2000, 846/847).

bb) Für die Führung einer Betreuung „nutzbar” sind solche Kenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Notwendig ist insoweit nicht, daß die Kenntnisse das gesamte Anforderungsprofil der Betreuung abdecken. Vielmehr reichen Kenntnisse zur Bewältigung eines bestimmten Aufgabenkreises aus (vgl. BayObLG aaO; SchlHOLG aaO). Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu, insbesondere Kenntnissen im Gesundheits-, Zivil-, Sozialleistungs- und Versorgungs-, Verwaltungs- und Steuerrecht einschließlich des jeweiligen Verfahrensrechts. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (vgl. BayObLGZ 1...

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