Tenor

1. Der Bescheid des Landgerichts München I vom 4. Juni 2021 wird aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller war Kläger in dem vor dem Landgericht München I geführten Ausgangsverfahren, in dessen Akte Einsicht bewilligt worden ist. Gegenstand des Ausgangsverfahrens, das mit - inzwischen anonymisiert veröffentlichtem - klageabweisendem Endurteil vom 13. April 2021 endete, war ein Anspruch auf Rückgewähr von Verlusten, die der Kläger bei der Teilnahme an einem Online-Glücksspiel erlitten hatte.

Gemäß Verfügung der Präsidentin des Landgerichts München I vom 10. September 2020 ist die Entscheidung über Anträge auf Akteneinsicht durch Dritte (§ 299 Abs. 2 ZPO), die eine bestimmte Prozesssache betreffen, den Vorsitzenden der Kammern bzw. dem Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 27. April 2021 hat der weitere Beteiligte zu 1), ein Rechtsanwalt, Akteneinsicht beantragt. Das Endurteil vom 13. April 2021 habe die Kanzlei, der er angehöre, in einem identisch gelagerten Parallelverfahren erhalten. Die Kanzlei vertrete bundesweit mehr als 650 Betroffene, die "aus illegalen Online Casinos" Schäden erlitten hätten. Es solle geprüft werden, wie es zu dieser im Bereich des Online-Glückspiels außergewöhnlichen Entscheidung gekommen sei, die im Widerspruch zur bisherigen "überwiegend positiven verbraucherschutzfreundlichen Rechtsprechung" stehe. Es bestünden Auffälligkeiten, etwa die kurze Verfahrensdauer trotz des im Ausland gelegenen Sitzes der Beklagten, die Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt, der nach seinem Internetauftritt den Glücksspielstaatsvertrag für europarechtswidrig halte, sowie eine nach den Urteilsgründen anzunehmende Lückenhaftigkeit des Vorbingens und des Beweisantritts, denen mittels Akteneinsicht nachgegangen werden solle. Ein rechtliches Interesse sei zu bejahen, da die Akteneinsicht zur Verfolgung der Ansprüche der Mandantinnen und Mandanten der Kanzlei in rechtlich identisch gelagerten Sachverhaltskonstellationen benötigt werde. Zudem sei beabsichtigt, sich mit den Prozessbevollmächtigten der Klagepartei auszutauschen. Hilfsweise werde beantragt, Akteneinsicht in die anonymisierten Schriftsätze und Zustellurkunden des Gerichts zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2021 hat der weitere Beteiligte zu 1) unter Bezugnahme auf sein Akteneinsichtsgesuch mitgeteilt, er werde das Urteil in einer Fachzeitschrift kommentieren. Für die Vollständigkeit der Recherche sei die Akteneinsicht erforderlich. Nach einer als Anlage beigefügten E-Mail des Verlags bestehe Interesse an einer Anmerkung zu der Entscheidung. Zu diesem Schreiben haben die Parteivertreter Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Dritte begehre "allgemeine Einsicht in die komplette Verfahrensakte auf der Geschäftsstelle"; die Frage des Gerichts, ob sich sein Ersuchen auf bestimmte Aktenteile beziehe, sei verneint worden. Es werde auf die Kommentierung in Zöller, ZPO, § 299 Rn. 6a zu Akteneinsichtsgesuchen zu wissenschaftlichen Zwecken verwiesen.

Der weitere Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 um einen zeitnahen Termin für eine persönliche Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle gebeten; der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei habe mitgeteilt, es werde gegen das Urteil keine Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 hat sich der Unterbevollmächtigte der im Ausgangsverfahren beklagten Partei und weiteren Beteiligten zu 2) gegen die Bewilligung von Akteneinsicht an den weiteren Beteiligten zu 1), "einen Spieler-Anwalt", ausgesprochen. Unter Bezugnahme auf das Einsichtsgesuch und ein in Anlage beigefügtes Schreiben des weiteren Beteiligten zu 1) an das Amtsgericht Frankfurt am Main, in dem dieser die Beiziehung der streitgegenständlichen Akte beantragte, hat er ausgeführt, der weitere Beteiligte zu 1) verfolge keine wissenschaftlichen Zwecke, sondern es gehe ihm darum, "Anhaltspunkte für seine Verschwörungstheorien" zu finden. Die Kommentierung des Urteils für eine Fachzeitschrift verlange keine Recherche durch Akteneinsicht; es genüge das Urteil. Es liege auf der Hand, dass der weitere Beteiligte zu 1) Akteneinsicht begehre, um sein unseriöses Geschäftsmodell zu optimieren, potentielle und aktuelle Mandanten zum Glücksspiel zu verleiten, damit sie Gewinne aus online-Glücksspielen "schweigend einstreichen" und Verluste über ihn zurückfordern. Sein Ziel sei es, die anwaltliche Vertretung der Klagepartei zu diskreditieren und als Wettbewerber in diesem lukrativen Businessmodell auszuschalten.

Mit Verfügung vom 18. Mai 2021 hat die mit dem Rechtsstreit befasste Einzelrichterin mitgeteilt, dass sie dem weiteren Beteiligten zu 1) Akteneinsicht durch Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle gewähren werde. Die Interessen des weiteren Beteiligten zu 1), der eine Veröffentlichung in der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht beabsichtige, seien aufgrund Art. 5 Abs. 3 GG h...

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