Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der zentralen Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt vom 23.7.1990 über 200 DM nach § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG verworfen. Hiergegen richtet sich das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das vorbezeichnete Urteil zu wertende Rechtsmittel des Betroffenen. Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Das als Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Betroffenen ist als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zu werten. Das als Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel muss nach § 300 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG als der hier allein zulässige Rechtsbehelf, nämlich als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 OWiG aufgefaßt und behandelt werden. Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG verworfen, weil er trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne Entschuldigung zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist. Auf diesen Fall ist § 79 Abs. 1 Satz 1 Ziff.4 OWiG nicht - auch nicht entsprechend anzuwenden (BayObLGSt 1969, 196/197; OLG Düsseldorf VRS 74, 221/222; Göhler OWiG 9.Aufl. § 74 Rn.48 und 79 Rn. 11 m. w. Nachw.).

2. Der Betroffene macht geltend, das Gericht hätte nicht sein persönliches Erscheinen anordnen dürfen, weil er als Angehöriger des Konsularischen Korps nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege und keine gerichtliche Tätigkeit gegen ihn entfaltet werden dürfe. Der Betroffene beruft sich demnach mit der Sachrüge auf ein Verfahrenshindernis (vgl. BayObLGSt 1973, 191; LK-Tröndle StGB 10.Aufl. Rn.74 vor § 3; Krey JA 1983, 238/239; Kissel GVG § 18 Rn.19; Kleinknecht/Meyer StPO 40.Aufl. § 18 GVG Rn.4).

Ein Verfahrenshindernis ist im Zulassungsverfahren unbeachtlich. Seit dem Inkrafttreten des § 80 Abs. 5 OWiG (1.4.1987) darf das Rechtsbeschwerdegericht vor Erlaß des Urteils im ersten Rechtszug eingetretene Verfahrenshindernisse nicht mehr bereits im Zulassungsverfahren berücksichtigen (vgl. BGHSt 36, 59; BayObLG vom 29.3.1988 - 1 Ob OWi 342/87;.Göhler aa0 § 80 Rn.23; KK-Steindorf OWiG § 80 Rn.59).

3. Das behauptete Verfahrenshindernis ist vom Rechtsbeschwerdegericht hier nur im Rahmen des § 80 Abs. 1 OWiG zu prüfen. Nach dieser Bestimmung darf die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt nach einstimmiger Auffassung des Senats hier offensichtlich nicht vor.

Allerdings wird die Nachprüfung eines angefochtenen Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in der Regel dann geboten sein, wenn der Tatrichter die völkerrechtlich begründete Immunität nicht ausreichend geprüft hat, obwohl dazu Veranlassung bestanden hat, und das Urteil darauf beruhen kann. Denn diese ist ein Verfahrenshindernis von besonderer Verbotskraft, sie bezweckt eine wirksame Wahrnehmung der den Diplomaten und Konsuln gestellten Aufgaben und ist seit Jahrhunderten im Völkerrecht üblich (Kissel aaO Rn.4; Kleinknecht/Meyer aaO; Rüping Kleinknecht-FS S.397/401 ff.).

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Betroffene Mitglied einer ausländischen konsularischen Vertretung (zu den dazu umfaßten Personengruppen vgl. Rundschreiben des BMI vom 14.3.1975, GMB1 1975, 337 unter II E 1) ist (die vom italienischen Minister für Auswärtige Angelegenheiten ausgestellten Dienstpässe für Angehörige des Auswärtigen Dienstes haben für den Status deren Inhaber in der Bundesrepublik Deutschland keine unmittelbare Bedeutung, sie sind jedoch für den Tatrichter bei Vorliegen weiterer Anzeichen grundsätzlich Anlaß zu prüfen, ob der Inhaber oder seine Familienangehörigen in den Kreis der vorgenannten Personengruppe fallen; vgl. auch RiStBV Nr. 195 Abs. 1 Satz 1). Denn ein solcher Status ist allein nicht geeignet, stets eine Immunität nach dem Wiener Abkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963, BGBl. 1969 11 1585 ff. (WÜK), zu begründen, auf das § 19 Abs. 1 Satz 1 GVG für die Voraussetzungen und den Umfang der Immunität verweist. Die rechtliche Stellung der Konsuln ist als reine Amtsimmunität ausgestaltet; die begünstigten Personen unterliegen nur wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen werden, nicht der Gerichtsbarkeit des Empfängerstaates (Art.43 Abs. 1, 58 Abs. 2 WÜK, vgl. Art.71 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WÜK; BayObLGSt 1973, 191).

Kommt der Tatrichter bei einem Betroffenen, der weder den weißen oder grauen konsularischen Ausweis der zuständigen Behörden der deutschen Bundesländer vorlegen noch seine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit anders glaubhaft machen kann, nach den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen in freier Überzeugung zu dem Ergebnis, dass die dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit nicht in Ausübung...

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