Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageerweiterung auf einen Streitgenossen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Rechtshängigkeit einer Klage kann ein einheitlich zuständiges Gericht für Klage und beabsichtigte Klageerweiterung auf einen Streitgenossen nur dann bestimmt werden, wenn der Verfahrensstand des streitigen Verfahrens nicht entgegensteht.

2. Diese Zäsur ist erreicht, wenn der Prozessstand dem bestimmenden Gericht eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten nicht mehr ermöglicht.

3. Das kann der Fall sein, wenn vor Klageerweiterung bereits ein Haupttermin stattgefunden hat, in dem die Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts angehört worden sind, und das Streitgericht im Anschluss daran einen Beweisbeschluss erlassen hat.

4. Auf die Frage, ob der gerichtlich bestimmte Termin zur Beweisaufnahme und Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wie geplant stattfinden wird oder wegen der Corona-Pandemie verlegt werden wird, kommt es in diesem Fall nicht an.

 

Normenkette

BGB § 269 Abs. 1 S. 1, § 270 Abs. 4, §§ 421, 427; EGZPO § 9; ZPO §§ 12-13, 29 Abs. 1, § 36 Abs. 2, §§ 59-60, 141 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 1, § 697 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin betreibt ein Maklerunternehmen für die Vermittlung von Kauf-, Miet- und Pachtverträgen für Immobilien. Die Antragsgegner - Eigentümer einer gewerblich genutzten Liegenschaft in Ruhpolding - sind ihr nach ihrer Meinung als Gesamtschuldner zur Zahlung einer vertraglichen vereinbarten Vergütung in Höhe von 53.550 EUR verpflichtet. Der Antragsgegner zu 1) wohnt im Bezirk des Landgerichts München I, der Antragsgegner zu 2) im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth.

Gegen beide Antragsgegner erwirkte die Antragstellerin einen Mahnbescheid über die Forderung. Als Prozessgericht, an das das Verfahren im Fall eines Widerspruchs abgegeben werden soll, bezeichnete sie in den Mahnanträgen jeweils das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Antragsgegners; zugleich beantragte sie bereits im Mahnverfahren für den Fall eines Widerspruchs die Abgabe an das jeweilige Prozessgericht.

Nach Widerspruch der anwaltlich vertretenen Antragsgegner hat die Antragstellerin nur für das Verfahren hinsichtlich des Antragsgegners zu 1) den für die Durchführung des streitigen Verfahrens angeforderten Gerichtskostenvorschuss eingezahlt. In dem daraufhin an das Landgericht München I abgegebenen Verfahren hat die Antragstellerin ihren Anspruch mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019 begründet. Nach Schriftsatzwechsel hat am 18. Dezember 2019 ein Haupttermin stattgefunden, in dem beide Parteien, deren persönliche Anwesenheit zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet war, angehört worden sind. Nach wechselseitiger Stellungnahme zum Ergebnis der Anhörung und ergänzendem streitigen Vorbringen hat das Landgericht am 21. Februar 2020 einen Hinweis- und Beweisbeschluss verkündet. Der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme, in dem vier Zeugen - darunter der Antragsgegner zu 2) - gehört werden sollen, ist nach antragsgemäß erfolgter Verlegung auf den 13. Mai 2020 bestimmt worden.

Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2020 an das Landgericht München I hat die Antragstellerin die Klage auf den Antragsgegner zu 2) erweitert und zunächst die Bestimmung des zuständigen Gerichts mit der Begründung beantragt, ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand sei nicht einfach und zuverlässig feststellbar. Bestimmt werden möge das Landgericht München I als für beide Beklagte zuständiges Gericht.

Das Landgericht hat demgemäß - ohne Zustellung der Klageerweiterung an den Antragsgegner zu 2) - die Akte dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung vorgelegt.

Gemäß richterlichem Hinweis vom 12. März 2020 haben die Parteien des Bestimmungsverfahrens Gelegenheit erhalten, zu den aus dem Verfahrensstand resultierenden Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung Stellung zu nehmen.

Die Antragstellerin führt Gründe der Prozessökonomie an. Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung vor dem mit dem Rechtsstreit bereits befassten Gericht diene der Vermeidung eines weiteren, quasi parallel gegen den Antragsgegner zu 2) zu führenden Verfahrens. Die Antragsgegner seien Gesamtschuldner, der Sachverhalt, aus dem die Ansprüche hergeleitet würden, sei identisch. Ob der anberaumte Termin stattfinden werde, sei aufgrund der aktuellen Corona-Krise ohnehin fraglich. Jedenfalls werde die Klägerin aufgrund der gesundheitlichen Risiken eine Terminsverlegung beantragen. Damit bestehe ausreichend Zeit, um den Rechtsstreit gegen beide Beklagte gemeinsam zu führen. Eine die Gerichte belastende Aufspaltung werde dadurch vermieden.

Die Antragsgegner wenden sich gegen die Bestimmung des Landgerichts München I als auch für den Antragsgegner zu 2) zuständiges Gericht. Sie berufen sich auf den Verfahrensstand und machen prozessuale Nachteile im Falle einer Gerichtsstandsbestimmung geltend. Diese würde z...

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