Leitsatz (amtlich)

1. Ist im Rahmen eines von der Gesellschaft beschlossenen regulären Delisting ein Spruchverfahren durchzuführen, beginnt die Antragsfrist mit Veröffentlichung der letzten Delistingentscheidung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt.

2. Auch in Spruchverfahren, die nach einem regulären Delisting durchzuführen sind, muss der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionär der Gesellschaft sein.

3. Ist nach einem regulären Delisting ein Spruchverfahren durchzuführen, bestimmt sich der materiell-rechtliche Anspruch entsprechend § 207 UmwG.

4. Es bleibt offen, welche Sachverhalte im Einzelnen den Anspruch auf Überprüfung des Abfindungsangebots im Rahmen eines regulären Delisting begründen.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 15.01.2004; Aktenzeichen 5 HKO 22304/02, 5 HKO 10580/99)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG München I v. 15.1.2004 wird wie folgt abgeändert:

1. Die Anträge der Antragsteller zu 3) und 4) sind im Spruchverfahren zulässig.

2. Die Anträge der Antragsteller zu 1), 2) und 5) auf Nachprüfung des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2) werden zurückgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin zu 1) entstand durch formwechselnde Umwandlung einer Aktiengesellschaft für Datenerfassungssysteme. Dieses Unternehmen (künftig Gesellschaft) aus dem Bereich des Elektronikfachhandels war seit 1988 börsennotiert. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 11 Mio. DM, nach der Währungsumstellung 5.624.210,69 Euro, das je zur Hälfte in Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien aufgeteilt war. In Streubesitz befanden sich noch 1,07 % der Stammaktien und 8,5 % der Vorzugsaktien. Die Aktien der Gesellschaft waren an den Börsen in Frankfurt und München zum amtlichen Handel zugelassen. Die Hauptversammlung der Gesellschaft v. 20./21.5.1999 ermächtigte den Vorstand, bei den beiden Börsen den Widerruf der Zulassung zum Aktienhandel zu beantragen. Die Gesellschaft teilte auf der Hauptversammlung mit, dass die Antragsgegnerin zu 2) als Mehrheitsaktionärin den Minderheitsaktionären ein Kaufangebot von 601 Euro je Stammaktie und 550 Euro je Vorzugsaktie unterbreite. Sämtliche Antragsteller legten in der Hauptversammlung der Gesellschaft v. 20./21.5.1999 Widerspruch gegen den Beschluss zu TOP 9 ein, welcher die Ermächtigung für den Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung enthielt. In der Folgezeit widerriefen zunächst die Bayerische Börse, später auch die Frankfurter Wertpapierbörse die Zulassung der Aktien zum amtlichen Handel. Die letztgenannte Entscheidung wurde am 27.3.2000 im Handelsblatt veröffentlicht. Wegen ihr war ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anhängig. Dieses wurde durch Beschluss des BVerwG v. 4.6.2003 eingestellt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Die Antragsteller zu 1), 3), 4) und 5) wandten sich in der Folge gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung v. 20./21.5.1999 in einem Anfechtungsverfahren, das der BGH letztinstanzlich durch Urt. v. 25.11.2002 entschieden hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2002 - II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 ff. = MDR 2003, 515 = AG 2003, 273 = BGHReport 2003, 434). In dem Berufungsverfahren hierzu stellten die Antragsteller zu 3) und 4) am 10.2.2000 hilfsweise den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung des Kaufangebots und beantragten insoweit die Verweisung des Rechtsstreits an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ferner beantragten sie die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Angemessenheit des Kaufangebots. Das Berufungsgericht wies diese Hilfsanträge im Urt. v. 14.2.2001 zurück. Der BGH hat im Revisionsverfahren den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Antragsteller zu 3) und 4) insoweit an das LG als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwiesen, als sie die Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots des Mehrheitsaktionärs der Gesellschaft v. 20./21.5.1999 verfolgen.

Mit Schriftsatz v. 11.12.2002 beantragten die Antragsteller zu 1) und 2) die gerichtliche Erhöhung des an die Minderheitsaktionäre abgegebenen Kaufangebots.

Die Gesellschaft führte auf Antrag der Antragsgegnerin zu 2) ein Squeeze-Out-Verfahren durch. Der Übertragungsbeschluss wurde am 24.1.2003 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Verfügung v. 29.4.2003 machte das LG im Bundesanzeiger v. 15.5.2003 bekannt, dass wegen des in der Hauptversammlung v. 20./21.5.1999 beschlossenen Delisting der Gesellschaft ein Spruchverfahren anhängig ist. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass die Antragsberechtigung der bisherigen Antragsteller bestritten sei, es des Weiteren ungeklärt sei, ob nach dem zwischenzeitlich beschlossenen und eingetragenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre gem. §§ 327a ff. AktG überhaupt ein Recht zum Anschluss weiterer ehemaliger Aktionäre analog §§ 306 Abs. 3 S. 2 AktG a.F., 307 Abs. 3 S. 2 UmwG a.F. bestehe und dass daher ein eventueller Anschluss auf das (Kosten-) Risiko der jeweiligen Antragsteller erf...

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