Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagebeschluss an das BVerfG. Rente wegen Todes. Erziehungsrente. Benachteiligung eines nichtehelichen Kindes. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 47 Abs 1 SGB 6 idF von Art 1 Nr 15 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz - juris: RVAltGrAnpG) vom 20.4.2007 (BGBl I 2007, 554) verletzt Art 6 Abs 5 GG, indem die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils keinen Anspruch auf eine Erziehungsrente auszulösen vermag (Anschluss an BVerfG vom 28.2.2007 - 1 BvL 9/04 = BVerfGE 118, 45).

2. Dieser Umstand verletzt die Personen, die nach dem Tod des anderen Elternteils das gemeinsame nichteheliche Kind erzieht, in Art 3 Abs 1 GG.

3. Dieser Umstand verletzt weiter das gemeinsame nichteheliche Kind der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils dadurch in Art 3 Abs 1 GG, dass seine Erziehung keinen Anspruch auf eine Erziehungsrente auszulösen vermag, die Erziehung nicht gemeinsamer Kinder aber unter Umständen schon.

 

Orientierungssatz

Das Verfahren wird gem Art 100 Abs 1 des GG ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 47 Abs 1 des SGB 6 idF von Art 1 Nr 15 des RVAltGrAnpG insoweit mit

1. Art 6 Abs 5 des GG vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt,

2. Art 3 Abs 1 des GG vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente ausreichen lässt, andererseits aber die Erziehung nicht gemeinsamer Kinder dafür genügen kann,

3. Art 3 Abs 1 des GG vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt, die Erziehung gemeinsamer ehelicher dagegen schon?

4. Az. des BVerfG: 1 BvL 20/09.

 

Tenor

Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 47 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch in der Fassung von Artikel 1 Nr. 15 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2004 (BGBl I, S. 554) insoweit mit

Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt,

Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente ausreichen lässt, andererseits aber die Erziehung nicht gemeinsamer Kinder dafür genügen kann,

Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt, die Erziehung gemeinsamer ehelicher dagegen schon?

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Erziehungsrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).

Die 38-jährige Klägerin hat drei Kinder von drei verschiedenen Vätern. Sie war nie verheiratet. Zwei der Kinder sind minderjährig und leben bei ihr. Dabei handelt es sich um die 1996 geborene Tochter A. und den 2007 geborenen Sohn J. (im Folgenden: J). Das älteste Kind, ein 1989 geborener Sohn, besitzt einen eigenen Hausstand. Der Vater von J, M. F. (im Folgenden: F), ist am 25.05.2008 verstorben. Zu ihm stand die Klägerin bis zu dessen Tod in einer Beziehung, die von ihr als "feste Partnerschaft" bezeichnet wird. Von Juni 2007 an lebte F in einer eigenen Wohnung im selben Haus wie die Klägerin und die beiden Kinder. Allerdings verbrachte er sehr viel Zeit in deren Wohnung, was die Klägerin als "richtige Familie" empfand. Außer einer kleinen Rente hatte F kein Einkommen. Unterhalt für J zahlte er nicht, beteiligte sich nach Schilderung der Klägerin aber finanziell an den Einkäufen und machte seinem Sohn ab und an kleine Geschenke.

Die Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie begann 1987 eine Lehre zur Bürogehilfin, die sie wieder abbrach. Den Lebensunterhalt für sich und ihre minderjährigen Kinder bestreitet die Klägerin aus Einkünften aus einer geringfügigen Beschäftigung, aus einer Halbwaisenrente für J, aus dem Kindesunterhalt, den der Vater von A. leistet, sowie aus Kindergeld für beide Kinder. Des weiteren erhält sie ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ...

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