Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern. keine analoge Anwendung der Vorschriften auf einer US-Corporation in Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

"Board member" einer US Incorporation, die für deren deutsche Niederlassung arbeiten, unterliegen nicht den Ausnahmevorschriften der §§ 1 S 4 SGB 6 und 27 Nr 5 SGB 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.01.2011; Aktenzeichen B 12 KR 17/09 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Oktober 2006 in den Punkten 2) und 3) aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch über die Versicherungspflicht der Kläger zu 2) und 4) in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die Klägerin zu 1) ist eine Aktiengesellschaft ("Corporation") nach Gesellschaftsrecht für den US-Staat Delaware mit einer Niederlassung in A-Stadt. Sie wird durch den Vorstand ("board of directors") mit einem Vorsitzenden und zahlreichen "board members" und den directors geführt und vertreten. Zu diesen zählen die Kläger 2) und 4), die ihre Tätigkeit in Deutschland ausüben und zwar

A. C., Kläger zu 2) seit 15.12.1992

A. G., Kläger zu 4) seit 17.09.2002

Die Firma M. Incorparation A-Stadt, Arbeitgeberin und Klägerin zu 1) beantragte am 22.06.2004 zunächst für die Kläger zu 3) und 1) und am 26.11.2004 für den Kläger zu 2) die Überprüfung, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Die Mitarbeiter seien wie Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht - AG dR. - zu beurteilen und ihre Altersversorgung sei privat und betrieblich ausreichend sichergestellt. Dem Ansinnen, die Kläger zu 2) bis 4) unversichert zu lassen, folgte die Beklagte nicht und stellte mit Bescheid vom 11.01.2005, adressiert an die Klägerin zu 1) die Sozialversicherungspflicht der drei Mitarbeiter fest, da die Ausnahmen von der Versicherungspflicht allein für Vorstände einer AG dR. gelten würden.

Der Widerspruch dagegen, erhoben von der Klägerin zu 1) und zunächst noch mehreren directors blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2005 führte die Beklagte dazu aus, dass die Klägerin zu 1), die als amerikanische Corporation im Handelsregister eingetragen sei, auch in Deutschland rechtlich wie an ihrem Gründungsort behandelt werde und deswegen einer AG dR. im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht gleichgestellt werden könne.

Die dagegen am 12.07.2005 erhobene Klage ist damit begründet worden, dass die klagenden directors den Vorständen einer AG d.R. gleichzusetzen seien, weil sie ihnen mit ihrer Wirtschaftskraft und ihrer Funktionsausübung entsprächen, wie die Klägerin zu 1) einer AG dR., mit deren Struktur sie im Wesentlichen übereinstimme. Ihre Gleichstellung leite sich aus dem Deutsch-US Handelsabkommen vom 29.10.1954 her. Der ausreichende Versicherungsschutz der Kläger 2) bis 4) sei sichergestellt. Die Beklagte dagegen erachtet die Unterschiede zwischen AG d.R. und US-Corporation für so bedeutsam, dass die bestehenden Sozialversicherungsvorschriften auch nicht vor dem Hintergrund der Wirtschafts- oder Versicherungsabkommen im Sinne der Kläger ausgelegt werden könnten. Dem hat sich das Sozialgericht im Urteil vom 11.10.2006 angeschlossen und die Klage (kostenpflichtig) abgewiesen und dazu ausgeführt: Als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte unterfielen die Kläger zu 2) bis 4) der streitigen Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die für beide Zweige bestehenden Ausnahmevorschriften seien mangels entsprechender Gleichstellungsmöglichkeiten nicht anwendbar. Zunächst sei die Klägerin zu 1) versicherungsrechtlich nicht als AG dR. anzusehen. Aus den existierenden Staatsverträgen gehe das nicht hervor. Vielmehr müsse sich die Klägerin zu 1) so behandeln lassen, wie alle anderen deutschen Kapitalgesellschaften, die keine AG dR. seien und auf die Ausnahmebestimmungen ebenfalls nicht zuträfen. Entscheidend sei hier aber, dass die Kläger zu 2) bis 4) in ihrer Eigenschaft als "directors" den Vorständen einer AG dR. nicht gleichstehen könnten. Die beiden maßgeblichen Normen § 1 Satz 4 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 SGB III könnten weder dahin ausgelegt, noch analog angewendet werden. Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen bei den Vorstandsmitgliedern größerer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit könnten ebenfalls nicht übertragen werden, weil die für sie geltenden Normen des Versicherungsaufsichtsgesetzes - VAG - direkten Bezug auf das deutsche Aktienrecht nehmen, was aber bei den directors nicht der Fall sei. Darüber hinaus verzichten US-Corporations auf ein Mindestgründungskapital und Organstrukturen deutschen Aktienrechts. Unabhängig wie das konkret auf die Klägerin zu 1) zuträfe, müsste bei einer Gleichstellung Corporation-AG dR eine Typengleichheit der Rechtsform bestehen. Das sei aber gerade...

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