Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Beschäftigung. persönliche Abhängigkeit. Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit. Unternehmerrisiko

 

Orientierungssatz

Eine Beschäftigung nach § 7 Abs 1 SGB 4 in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Art und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit abzugrenzen. Insoweit hat sich die sozialgerichtliche Rechtsprechung der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht angeschlossen, wonach für den Arbeitnehmerstatus ein unternehmerisches Risiko unerheblich sei (vgl BAG vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 = ZTR 2006, 43). Maßgeblich für die Abgrenzung ist stets das Gesamtbild der erbrachten Leistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl BSG vom 10.8.2000 - B 12 KR 21/98 R = BSGE 87, 53, BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R = BSGE 85, 214 und BSG vom 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 5).

 

Normenkette

SGB IV § 28p Abs. 1 S. 5, § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 5; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; AFG § 168 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.09.2006; Aktenzeichen B 12 KR 24/06 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 5. August 2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1999 insoweit abgewiesen, als darin Beitragsnachforderungen bezüglich der Beigeladenen zu 1) und 4) enthalten sind.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die die Beklagte aufgrund einer Betriebsprüfung nachfordert.

1. Die Klägerin führt in O. einen Hotelbetrieb; als registerrechtlicher Unternehmensgegenstand ist eingetragen "Sporthotels mit Kurbetrieb, Restaurants, physiotherapeutische Reha- und Fitnesscenter, Sportstätten sowie Beteiligungen" an derartigen Einrichtungen. Die Klägerin ist aus der Verschmelzung mehrerer GmbH hervorgegangen, die die Apotheker und Eheleute R. und D. V. betrieben hatten; dazu zählten insbesondere die M. GmbH, A. GmbH, mit dem Gegenstand Entwicklung und Vertrieb von homöopathischen und naturheilkundlichen Kuren, Kurhotel/Hotel V. GmbH, Sporthotel V. GmbH sowie die A. Pharma GmbH und Pharma V. Forschungs- und Entwicklungs-GmbH.

Der 1948 geborene Beigeladene zu 4) ist Physiotherapeut und medizinischer Bademeister; ihm unterstand die Bäderabteilung des Hotelbetriebs der Klägerin in O. .

Der 1962 geborene Beigeladene zu 1) ist staatlich geprüfter Masseur. Das im Anschluss an die im Juli 1996 abgelegte staatliche Prüfung erforderliche Pflichtpraktikum leistete er bis 31. Januar 1997 bei der Klägerin ab. Von Februar bis Dezember 1997 erbrachte er als freier Mitarbeiter ohne schriftliche Vereinbarung Masseurleistungen für die Klägerin in deren Hotelbetrieb. Seit 1. Januar 1998 war er als versicherungspflichtiger Masseur beschäftigt.

2. Aufgrund einer Betriebsprüfung im 1. Halbjahr 1998 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 1998 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1997 Gesamtsozialversicherungsbeiträge über insgesamt 243.919,90 DM nach. Der Beigeladene zu 4) sowie der Beigeladene zu 1) seien im streitigen Zeitraum - ebenso wie weitere im vorliegenden Verfahren nicht betroffene Personen - als Selbstständige geführt, tatsächlich jedoch aufgrund abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig tätig gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe eine Vergütung von 25,00 DM pro Stunde ohne Berechnung der für Selbständige charakteristischen Mehrwertsteuer erhalten. Er habe seine Arbeitskraft ausschließlich der Klägerin bei Unterwerfung unter deren Weisungsbefugnis zur Verfügung gestellt. Eigenwerbung habe er ebenso wenig betrieben wie eigene Mitarbeiter beschäftigt. Der Beigeladene zu 4) arbeite nahezu ausschließlich in der Bäderabteilung der Klägerin in deren Auftrag und für deren Rechnung und sei als Leiter dieser Abteilung in den Betrieb der Klägerin eingebunden. Aufgrund des Vertrages über freie Mitarbeit vom 1. April 1993 bestehe ein Wettbewerbsverbot. Er stelle nahezu vollends seine Dienste der Klägerin zur Verfügung.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die damaligen Geschäftsführer, die Eheleute V. verfügten als Pharmazeuten nicht über das notwendige Know-how, um eine Bäderabteilung zu führen. Dieses habe allein der Beigeladene zu 4...

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