Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. geringfügige Unterbrechung der versicherten Tätigkeit. nichtvorliegende Unfallkausalität zwischen Unfallereignis und versicherter Tätigkeit. keine Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers. regelmäßige Überprüfungspflicht des Arbeitgebers: Betriebssicherheit von privat eingebrachten elektrischen Geräte. Stromschlag beim Ausschalten eines privaten Radiogerätes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche Unterbrechung, während der der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fortbesteht, liegt vor, wenn ein Versicherter seine Arbeitstätigkeit zum Zwecke des Ausschaltens eines Radiogerätes unterbricht und diese Unterbrechung zu keiner Entfernung vom Arbeitsplatz führt und fast keine Zeit in Anspruch nimmt.

2. Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften verpflichtet ist, die Betriebssicherheit privat eingebrachter elektrischer Geräte regelmäßig zu prüfen, resultiert hieraus keine Gefahr, für die der Unfallversicherungsträger einstandspflichtig ist (Festhaltung an LSG München, 12.10.2010 - L 3 U 501/08).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger am 12.4.2017 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1961 geborene Kläger ist seit Januar 2006 bei der Firma T. (im Folgenden: Arbeitgeber) in O-Stadt als Qualitätstechniker beschäftigt. Am Unfalltag wollte der an seinem Arbeitsplatz tätige Kläger gegen 13.30 Uhr das auf der Fensterbank hinter ihm stehende Radiogerät ausschalten und sich unmittelbar anschließend zu einer dienstlichen Besprechung begeben. Dabei berührte er - noch auf seinem Schreibtischstuhl sitzend - mit der rechten Hand die Antenne des Radiogeräts und erlitt einen Stromschlag. Das Radiogerät stand im Eigentum des Klägers und war mit einem Prüfsiegel von Ende Januar 2017 versehen.

Die MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenks vom 20.4.2017 ergab neben degenerativen Veränderungen u.a. eine dorsal verhakte Humeruskopf-Impressionsfraktur rechts bei Zustand nach Stromschlag. Die operative Versorgung erfolgte am 9.5.2017.

Die Beklagte veranlasste ein Erstes Rentengutachten bei Prof. Dr. B., welcher unter dem 1.1.2018 zu dem Ergebnis kam, dass aus unfallchirurgischer Sicht ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Trauma mit mittlerweile konsolidierter Humeruskopfläsion bei Zustand nach Schulterluxation mit weiterhin bestehenden Bewegungseinschränkungen und einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von derzeit 20 v.H. bestehe. Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. V. vom 17.4.2018 ein, wonach das vorbezeichnete Gutachten schlüssig sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.4.2018 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen ab, weil es an der Unfallkausalität fehle. Allein wesentliche Ursache des Unfallereignisses sei eine eingebrachte Gefahr aus dem privaten Bereich gewesen.

Im Widerspruchsverfahren gab der Kläger an, das Radiogerät sei ordnungsgemäß betrieben und von der Firma C. mit einem Prüfstempel für den internen Gebrauch abgenommen worden. Der Inbetriebnahme des Radiogeräts sei durch die Freigabe des Prüfsiegels seitens des Arbeitgebers zugestimmt worden. Es sei für ihn nicht absehbar gewesen, dass dieser Unfall passiere; Eigenverschulden treffe ihn nicht. Zwischenzeitlich seien Radiogeräte dieses Typs europaweit verboten worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2018 zurück.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hiergegen Klage zum SG München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 12.4.2017 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle bereits der notwendige innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls. Radiohören sei im Fall des Klägers eine eigenwirtschaftliche, nichtversicherte Tätigkeit und gehöre nicht zu seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger nach seinem Vortrag das Radiogerät ausschalten wollen, um zu einem Termin zu gehen. Der Unfall passierte folglich während der Beendigung der privaten Tätigkeit. Zudem fehle die erforderliche Unfallkausalität, weil eine eingebrachte Gefahr aus dem privaten Bereich die allein wesentliche Ursache des Unfallereignisses gewesen sei. Ohne das privat eingebrachte Radio hätte der Kläger keinen Stromschlag erlitten. Daran ändere die Tatsache nichts, dass das Gerät mit Zustimmung des Arbeitgebers benutzt worden sei. Durch die Überprüfung des Radioapparats durch den Arbeitgeber würde diesem nic...

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