Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. wichtiger Grund. Terminverwechslung. subjektive Vorwerfbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein verspätetes Erscheinen zum Meldetermin führt nur dann zu keinem sanktionsbewehrten Meldeversäumnis, wenn der Meldezweck am selben Tag noch erreicht werden kann.

 

Orientierungssatz

1. Ein Irrtum des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen über das Datum des Meldetermins ist nicht beachtlich und führt nicht zur Annahme eines wichtigen Grundes.

2. Die subjektive Vorwerfbarkeit des Meldeversäumnisses wird bereits durch fahrlässiges Verhalten begründet; auf eine Absicht kommt es nicht an (vgl LSG München vom 17.2.2016 - L 7 AS 776/15 NZB).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.12.2017; Aktenzeichen B 14 AS 158/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.3.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer 10%-Sanktion für die Zeit vom 1.6.2013 bis 31.8.2013.

Der 1964 geb. Kläger steht im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Mit nicht angefochtenem Bewilligungsbescheid vom 3.4.2013 wurden dem Kläger im streitigen Zeitraum für die Zeit vom 1.5.2013 bis 31.10.2013 monatlich 912 € bewilligt, davon 382 € als Regelleistung und 530 € für die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (449 € kalt, 31 € Nebenkosten, 50 € Abschlagszahlung für die Heizkosten).

Mit Bescheid vom 18.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.6.2013 wurde wegen eines Meldeversäumnisses am 2.4.2013 das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.5.2013 bis 31.7.2013 in Höhe von monatlich 10%, das sind 38,20 € abgesenkt. Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht München (S 46 AS 1589/13) blieb erfolglos (Urteil vom 27.3.2015, zugestellt am 1.6.2015). Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bay. LSG vom 22.10.2015, L 7 AS 434/15 NZB, zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 25.4.2013 wurde der Kläger aufgefordert, sich am 14.5.2013, 10:15 Uhr in der A-Straße 33 in A-Stadt zu einem ärztlichen Untersuchungstermin bei Herrn Dr. H. zu erscheinen. Ziel der Untersuchung sei eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit. Dr. H. ist ein niedergelassener Internist. Die Meldeaufforderung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung darüber, dass bei Nichterscheinen zum Termin ohne wichtigen Grund das Arbeitslosengeld II für die Dauer von 3 Monaten um 10 % jeweils gekürzt werde. Der Kläger ist zum Untersuchungstermin nicht erschienen. Mit Schreiben vom 16.5.2013 teilte der Kläger mit, dass er den mit Schreiben vom 25.4.2013 vorgegebenen Untersuchungstermin nicht wahrgenommen habe. Er habe den Termin verwechselt. Irrtümlich habe er angenommen, der Termin finde am 15.5.2013 statt. Ferner bat er um einen Ersatztermin. Am 21.5.2013 fand eine persönliche Vorsprache beim Arbeitsvermittler statt. Laut Gesprächsvermerk vom 21.5.2013 legte er nochmals den Grund für das Nichterscheinen dar, was aber vom Arbeitsvermittler als wichtigen Grund nicht akzeptiert wurde, da der Kläger für die Terminplanung selbst verantwortlich sei.

Mit Bescheid vom 22.5.2013 wurde das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2013 bis 31.8.2013 um 10%, das sind monatlich 38,20 € gemindert. Ein wichtiger Grund liege nicht vor.

Hiergegen legte der Kläger am 3.6.2013 ohne weitere Begründung Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 9.7.2013 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München und begehrte die Aufhebung des Sanktionsbescheides. Er habe den Termin verwechselt und sei erst am nächsten Tag erschienen. Seiner Bitte, die Untersuchung dennoch durchzuführen, sei der Arzt nicht nachgekommen. Angeblich würde der Beklagte dies nicht gestatten. Terminliche Gründe seien vom Arzt nicht vorgetragen worden. Der Arzt habe ihm zugesichert, seine Anwesenheit am 15.5.2013 gegenüber dem Beklagten zu bestätigen. Die Terminverwechslung beruhe nicht auf Böswilligkeit. Er hätte auch am 15.5.2013 untersucht werden können. Er habe bis heute keinen Alternativtermin erhalten. Dies sei ein Indiz dafür, dass es dem Beklagten nicht um die Untersuchung gehe, sondern nur darum, unter einem billigen Vorwand eine Sanktion verhängen zu können. Die Sanktion sei offensichtlich willkürlich und schikanös.

Mit Urteil vom 27.3.2015 wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Meldeversäumnis liege vor. Der Kläger sei am 14.5.2013 nicht zum Untersuchungstermin erschienen. Ob der Gutachter dem Kläger einen Tag später hätte begutachten können, sei nicht entscheidungserheblich. Den Beweisanträgen sei daher nicht stattzugeben. Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen zum Untersuchungstermin liege nicht vor. Die Terminverwechslung beruhe auf Fahrlässigkeit und sei dem Kläger subjektiv vorwerfbar. Für die subjektive Vorwerfbarkeit sei Vorsatz nicht erforderlich. Da die Urteilsgründe der BSG-Entscheidung vom 29.4.2015, B...

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