Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung bei selbstständiger Arbeit. Zurechnung von Gesellschaftseinkommen. alleiniger Gesellschafter, Kommanditist und Geschäftsführer einer KG. Absetzung von Ausgaben. Vertretung der Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Einkommen einer Gesellschaft, in der der Leistungsberechtigte - etwa als alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer - gesellschaftsrechtlich unabhängig vom Willen anderer über Entnahmen entscheiden kann, werden dem Leistungsberechtigten als eigenes Einkommen iS des § 11 SGB 2 zugerechnet.

 

Orientierungssatz

1. Eine Berücksichtigung von Rückstellungen für künftige Umsatzsteuerzahlungen kommt bei der Einkommensberechnung nicht in Frage, da gem § 3 Abs 2 AlgIIV 2008 nur tatsächliche geleistete Ausgaben von den Betriebseinnahmen abgesetzt werden dürfen.

2. Die Vertretungs- und Vollmachtsvermutung des § 38 SGB 2 beschränkt sich auf die Beantragung und Entgegennahme von Leistungen nach SGB 2 und bezieht sich nicht auf deren Rückforderung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.08.2013; Aktenzeichen B 14 AS 1/13 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.06.2010 dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Beklagten vom 06.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 aufgehoben wird, soweit darin die Erstattung von für die Klägerin zu 2 erbrachten Leistungen in Höhe von 888,06 Euro angeordnet wurde.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, in welcher Höhe den Klägern (Kl.) in der Zeit zwischen dem 01.11.2008 und dem 30.04.2009 Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) anzurechnen war.

Der 1956 geborene Kl. zu 1 und seine 1946 geborene Ehefrau, die Kl. zu 2, stehen im dauernden Leistungsbezug bei dem Beklagten (Bekl.).

Der Kl. ist als Kommanditist an der Firma A. S. L. & Co. KG (nachfolgend KG) beteiligt. Darüber hinaus ist er auch Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Komplementärgesellschaft, der A. S. L., mit Sitz in B.. Das Haftungskapital der Komplementärgesellschaft beträgt 150 € laut Gesellschaftsvertrag vom 11.11.2007, die Kommanditeinlage des Kl. 1.000 €.

Seit Juni 2006 besteht zwischen der KG und dem Kl. zu 1 ein Beratervertrag. Danach ist der Kl. zu 1 über seine Tätigkeit als Geschäftsführer der KG hinaus zur Beratung der Gesellschaft auf dem Gebiet der EDV, zur Akquisition und zur Ausführung von Aufträgen verpflichtet. Als Vergütung erhält er ein Honorar in Höhe von 20 € zuzüglich Mehrwertsteuer je Arbeitsstunde. Zusätzlich ist Aufwendungsersatz für angefallene und nachgewiesene Aufwendungen möglich. Die Aufträge werden von der KG kaufmännisch abgewickelt. Der technische Service und die Ausführung des Beratungsauftrags erfolgt durch den Kl. zu 1 als Einzelfirma, regelmäßig unter der Firmierung "h..net". Der Kl. zu 1 erstellt Rechnungen und erhält von der KG eine Honorierung.

Am 22.09.2008 beantragten die Kl. die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit nach dem 31.10.2008.

Die Agentur für Arbeit B-Stadt bewilligte den Kl. mit Bescheid vom 10.11.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum vom 01.11.2008 bis 30.4.2009. Der Leistungsbetrag belief sich für jeden der Kl. auf 133,01 €, für die Bedarfsgemeinschaft also auf 266,02 € monatlich. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) im Hinblick auf das noch nicht vollständig ermittelte Einkommen des Kl. zu 1 aus der selbständigen Tätigkeit. Die bewilligte Leistung umfasste nur die Regelleistung abzüglich anzurechnenden Einkommens. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht von der Agentur für Arbeit B-Stadt, sondern seitens des Landkreises B-Stadt durch eigene Bescheide bewilligt.

Am 24.11.2008 erging ein Änderungsbescheid. Die Agentur für Arbeit B-Stadt erhöhte den Leistungsbetrag je Kl. auf 148,01 € und bewilligte nunmehr insgesamt 296,02 € monatlich (Blatt 493). Auch dieser Änderungsbescheid erging hinsichtlich des zu ermittelnden Einkommens aus selbständiger Tätigkeit vorläufig.

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 06.07.2009 lehnte die Agentur für Arbeit B-Stadt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Antrag vom 22.09.2008 hin ab. Der Bescheid war an den Kl. zu 1 adressiert. Wegen des festgestellten Einkommens aus selbständiger Tätigkeit sei er nicht hilfebedürftig i. S. d. SGB II. Dabei handle es sich um die endgültige Entscheidung bezüglich des Bewilligungsabschnitts vom 01.11.2008 bis zum 30.04.2009. Folgende Beträge seien zu erstatten:

- November bis Dezember 2008: monatlich 148,01 € A...

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