Leitsatz (amtlich)

Zur Feststellung von orthopädischen und psychiatrischen Unfallfolgen bei Vorliegen einer Halswirbelsäulendistorsion

Nach §§ 406 Abs. 2 S. 1, 411 Abs. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind über das Anerkenntnis vom 20. Oktober 2010 hinaus nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte weitere Folgen des Unfalls vom 09.06.1994 anzuerkennen und dem Kläger Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 30 v.H. zu gewähren hat.

Der 1962 geborene Kläger war als Aushilfskraftfahrer in einem Speditionsunternehmen beschäftigt. Am 09.06.1994 lief er beim Beladen eines LKW gegen ein Drahtseil, rutschte aus und fiel auf den Hinterkopf. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. L. vom Stadtkrankenhaus M. diagnostizierte eine Platzwunde über der Nasenwurzel, eine Schädelprellung sowie eine Commotio cerebri. Der Facharzt für Chirurgie Dr. F. stellte zusätzlich eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) als Folge eines Schleudertraumas fest. Die radiologische Untersuchung zeigte eine starke Kyphosierung, jedoch keine Fraktur oder Luxation der HWS. Am 05.10.1994 wurde der Kläger in der Unfallklinik T. untersucht. Die Beweglichkeit der HWS war frei mit verbliebenen Druckschmerzen und einer leichten Verspannung der Muskulatur. Es wurde eine HWS-Distorsion ersten Grades diagnostiziert.

Bei einer am 27.10.1994 durchgeführten Computertomographie (CT) der HWS fand sich kein Anhalt für einen Bandscheibenvorfall, eine Fraktur oder Luxation. Erkennbar war eine degenerativ bedingte Wurzeltascheneinengung bei C5 rechts. Der Augenarzt Dr. L. berichtete am 06.12.1994, dass sich im Bereich der Sehnerven kein Anhalt für eine posttraumatische Schädigung finde. Es habe sich keinerlei Anhalt für eine Störung der Binocularität (beidäugiges Sehen) gefunden; entsprechend bestand ein vollwertiges räumliches Sehen und ein ausreichendes Akkommodationsvermögen. Bei einer Kernspintomographie des Schädels vom 16.02.1995 konnten Hinweise auf posttraumatische Veränderungen nicht festgestellt werden. Die Beklagte holte Gutachten auf neurologischem und augenärztlichem Gebiet ein.

Mit Bescheid vom 08.11.1995 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente ab. Der Kläger habe eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Platzwunde über der Nasenwurzel erlitten. Unfallfolgen lägen nicht mehr vor. Unabhängig vom Unfall bestünden: Weit- und Stabsichtigkeit und geringes Innenschielen beider Augen, Blendungsempfindlichkeit und Benetzungsstörung der Hornhaut mit kleinen oberflächlichen Defekten beider Augen, Schleimhautschwellung im Bereich der Kieferhöhle rechts (chronisch), Formveränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Zustand nach Knieinnenschaden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.1996 zurück.

Gegen die Bescheide legte der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm ein, das mit Urteil vom 15.05.1998 die Klage abwies. Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein (Az.: L 10 U 2069/98). Nach Einholung augenärztlicher Gutachten hob das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 19.06.2002 das Urteil des SG Ulm vom 15.05.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.1996 auf. Das Gericht verurteilte die Beklagte, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.06.1994 (Akkommodationsstörungen beider Augen mit Kopf- und Augenschmerzen) Verletztenrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren. Im Übrigen wies es die Berufung zurück.

Die Beklagte zog die Akten der LVA Baden-Württemberg bei. Seit dem 01.08.1995 bezog der Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Der Arzt für Orthopädie Dr. F. hatte am 01.04.1992 für die LVA ein Gutachten erstellt. Es wurde u.a. eine radiologische Untersuchung der HWS in zwei Ebenen durchgeführt. Die Achse sei steil gestellt, bei C3/4 leicht nach hinten abgewinkelt. Zwischenwirbelräume seien gut einsichtig, der Zahn des 2. Halswirbels sei kräftig entwickelt, die Wirbelkörper kastenförmig, an den Kanten wenig ausgezogen. Laut ärztlichem Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W. vom 16.10.1991 könne der Kläger den Beruf des Kraftfahrers nicht mehr ausüben. Im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule würden deutliche, über das altersentsprechende Maß hinausgehende Arthrosezeichen der unteren Lendenwirbelsäule beschrieben. Mit Beginn 01.09.2002 gewährte die LVA Baden-Württemberg Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.01.2003 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Verstärkt...

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