Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Arbeitslosengelds. Bemessungszeitraum. abgerechnete Entgeltabrechnungszeiträume. Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitsleistung. leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis. Bemessungsrahmen. beitragsrechtliches Versicherungspflichtverhältnis. Bemessungsentgelt. Lohnersatzleistung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 11 AL 4/18 R

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Bemessungszeitraum kommt es - anders als für den Bemessungsrahmen - auf die Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses und nicht auf die des Arbeitsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinne an.

2. Zeiten der unwiderruflichen Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zählen deshalb nicht zum Bemessungszeitraum.

 

Orientierungssatz

1. Nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB 3 umfasst der Bemessungszeitraum für die Berechnung des Arbeitslosengeldes die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nicht zum Bemessungszeitraum zählt die Zeit, in welcher dem Versicherten zwar sein Arbeitsentgelt fortgezahlt worden ist, er aber unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden ist.

2. Während der Bemessungsrahmen auf das Versicherungspflichtverhältnis als Arbeitsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn abstellt, kommt es für den Bemessungszeitraum auf das Bestehen eines leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses an. Maßgeblich ist, ob der Versicherte tatsächlich beschäftigt worden ist.

3. War der Versicherte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt, so kann für den maßgeblichen Bemessungszeitraum zur Berechnung des Arbeitslosengeldes nur auf Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung zurückgegriffen werden.

 

Normenkette

SGB III § 150 Abs. 1, § 151 Abs. 1, §§ 153, 137 Abs. 1

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.06.2016 wird aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 20.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.09.2015 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).

Der Kläger war seit 01.06.2002 bei der Firma H. AG & Co. KGaA beschäftigt. Mit seinem Arbeitgeber vereinbarte er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2015 unter einer unwiderruflichen Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge ab dem 11.08.2014. Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt betrug von Juli bis Dezember 2013 monatlich 5.800 €, von Januar bis Dezember 2014 monatlich 5.950 € und von Januar bis Juni 2015 monatlich 6.050 €.

Aufgrund der persönlichen Arbeitslosmeldung am 30.06.2015 und dem Antrag auf Zahlung von Alg bewilligte die Beklagte zunächst für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2017 vorschussweise Leistungen in Höhe von 51,49 € täglich (Bescheid vom 14.07.2015). Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 20.08.2015 hob die Beklagte darauf den Bescheid vom 14.07.2015 auf und bewilligte mit zwei Änderungsbescheiden vom 20.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.09.2015 Alg für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2017 in Höhe von 61,30 € täglich. Für den Bemessungszeitraum seien Zeiträume einer unwiderruflichen Freistellung nicht zu berücksichtigen, da das auf diese Zeiträume entfallende Entgelt beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis - das sei bei der unwiderruflichen Freistellung der Beginn der Freistellungsphase - weder erarbeitet noch abgerechnet sei. Der Bemessungsrahmen sei daher auf zwei Jahre zu erweitern, da im Bemessungszeitraum wegen der unwiderruflichen Freistellung ab dem 11.08.2014 weniger als 150 Tage mit Anspruch auf zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt vorliegen würden. Somit werde der Bemessungsrahmen auf die Zeit vom 01.07.2013 bis 30.06.2015 verlängert. Im Bemessungszeitraum sei an 396 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 76.450 € erzielt worden, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 193,06 € ergebe. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Lohnsteuerklasse I und des Umstands, dass der Kläger kein Kind habe, ergebe sich ein Alg iHv 61,30 € täglich. Aufgrund der eigenen Abmeldung aus dem Leistungsbezug durch den Kläger hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 07.03.2016 wieder auf (Bescheid vom 07.03.2016).

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Es sei auch das während der Freistellungsphase bezogene Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, da dieses abgerechnet und die vollen Beiträge an die Beklagte abgeführt worden seien. Die Verschiebung des Bemessungsrahmens führe dazu, dass eine geringere Vergütung für d...

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