Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Ablehnung eines Antrags auf Anhörung eines bestimmten Arztes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für eine weite Auslegung im Rahmen der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG kein Raum.

2. Berufliche Umstände sind bei der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG ohne Bedeutung.

3. Ein Antrag gem. § 109 SGG kann abgelehnt werden, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit zu spät vorgebracht worden ist und sich bei einer Zulassung des Antrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.

 

Orientierungssatz

Zitierung zu Leitsatz 1: Vergleiche BSG, 3. Februar 1988, 9/9a RVs 19/86

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Februar 2014 wird insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Klägerin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begehrt.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt werden.

Die Klägerin ist 1943 geboren. Bei einem Skiunfall im Alter von sieben Jahren erlitt sie einen Bruch des linken Oberschenkels, der in der Folge zu diversen Komplikationen und Operationen führte.

Zuletzt waren in Umsetzung des Urteils des Senats vom 25.08.2005, Az.: L 15 SB 35/00, mit Bescheid vom 07.11.2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G anerkannt worden. Dem waren folgende Gesundheitsstörungen zu Grunde gelegt worden:

1.

Funktionsbehinderung der rechten unteren Extremität bei eingeschränkter Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes und ausgeprägten Knorpelschäden, anhaltende Reizerscheinungen bei Beinverkürzung um 3,5 cm sowie Innenrotationsfehlstellung (Einzel-GdB 40),

2.

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen, Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30).

Mit Schreiben vom 25.10.2010 beantragte die Klägerin die Ausstellung eines "Behindertenfahrausweises" aufgrund ihrer Brustoperation. Mit Schreiben vom 10.11.2010 beantragte sie zudem die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG. Die anschließenden Ermittlungen des Beklagten ergaben, dass die Klägerin im Jahr 2008 an einem Mammakarzinom erkrankt war.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 27.12.2010 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30.12.2010 einen GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G fest. Dem lagen folgende Gesundheitsstörungen zu Grunde:

1.

Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung) (Einzel-GdB 50),

2.

Funktionsbehinderung der rechten unteren Extremität bei eingeschränkter Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes und ausgeprägten Knorpelschäden, anhaltende Reizerscheinungen bei Beinverkürzung um 3,5 cm sowie Innenrotationsfehlstellung (Einzel-GdB 40),

3.

Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen, Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30).

Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen aG und B lehnte der Beklagte ab.

Mit Schreiben vom 17.01.2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Neben der Höhe des GdB beanstandete sie, dass ihr die Merkzeichen aG und B nicht zuerkannt worden seien. Sie benötige den Parkausweis, da sie sich mit dem rechten Arm weder auf einem Stock abstützen noch einen Einkauf ohne eine Begleitperson und ohne zusätzliche Schmerzbeeinträchtigung unternehmen könne. Auch sei für sie die Ermittlung des GdB nicht nachvollziehbar.

Nach Einholung von Befundberichten und von zwei versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 06.04.2011 und vom 11.05.2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2011 den Widerspruch zurück. Der Gehbehinderung sei mit dem bereits zuerkannten Merkzeichen G angemessen Rechnung getragen.

Mit Schreiben vom 10.06.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben.

Ihre Bevollmächtigten haben die Klage mit Schreiben vom 30.01.2012, was das Merkzeichen aG betrifft, wie folgt begründet: Bei der Klägerin sei das Merkzeichen aG bereits in der Vergangenheit schon einmal mit Bescheid vom 26.06.1990 anerkannt worden. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Klägerin das Merkzeichen seinerzeit zuerkannt worden sei, ohne dass sie dem Personenkreis angehört habe, bei dem vom Vorliegen der Voraussetzungen für dieses Merkzeichen ausgegangen werde. In dem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) früher anhängigen Klageverfahren habe der Gutachter Prof. Dr. B. im Gutachten vom 16.03.2005 die Einschätzung geäußer...

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