Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit bei einer HIV-Infektion

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Vorliegen einer Entsendung und damit eines Beschäftigungsverhältnisses im Ausland, das dem Versicherungsschutz nach dem SGB VII unterliegt.

2. Ein Infektionsrisiko - hier für eine HIV Infektion - im Sinne der BK 3101 ist nicht allein darin begründet, dass Körperkontakt im alltäglichen sozialen Miteinander besteht.

3. Für das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr fehlt es an der mit einer Tätigkeit im Gesundheitswesen vergleichbaren Häufigkeit infektionsgefährdender Situationen, wenn während einer Beschäftigung als Abteilungsleiter einmalig eine Impfdosis empfangen wurde.

 

Orientierungssatz

Die Annahme einer Infektion als Berufskrankheit kommt nur dann in Betracht, wenn der betroffene Beschäftigte durch seine Tätigkeit und den damit verbundenen Arbeitshandlungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war. Dabei genügt auch bei einem Auslandseinsatz für die Annahme einer solchen erhöhten Gefahr regelmäßig nicht schon ein höherer Durchseuchungsgrad in der Bevölkerung mit einer bestimmten gefährlichen Infektionskrankheit (hier: HIV), jedenfalls soweit der Infektionsweg nicht schon über normale soziale Kontakte hergestellt wird.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 31.10.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die HIV-Infektion des Klägers eine Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ist.

Der am XXX geborene Kläger war seit 01.01.1982 für A. als Fachberater beschäftigt. Vom 01.09.1998 bis 31.08.1999 war er für B. als Leiter der F.-Abteilung im Werk C. in D. tätig. Auf den Vertrag mit B. vom 14.08.1998, die Vereinbarung des Klägers mit A. vom 20.04.1998 sowie die Unterlagen zum Entsendungsvertrag vom 20.04.1998 nach D. wird Bezug genommen. Zu den Aufgaben des Klägers im Werk C. gehörten laut Arbeitszeugnis Leitung und Aufbau einer F.-Abteilung einschließlich Einstellung, Training und Überwachung von Mitarbeitern sowie die Erstellung eines Qualitätssicherungssystems.

Im Vertrag mit A. vom 20.04.1998 wurde vereinbart, dass der Kläger vom 01.09.1998 bis 31.07.2000 im Einvernehmen mit A. einen Dienstvertrag mit B. schließt. Ergänzend zu dem Dienstvertrag mit B. wurden Vereinbarungen zwischen dem Kläger und A. getroffen, insbesondere zur Vergütung und zur Reintegration. Vereinbart wurde unter Punkt "2. Reintegration"

- eine unmittelbare Weiterbeschäftigung des Klägers nach fristgemäßer Beendigung und positiv verlaufendem Einsatz für B., wobei die Reintegrationszusage nach 5 Jahren ende,

- der Vorbehalt von A., den Kläger auch während der Laufzeit seines Vertrags mit B. - mit dessen Einvernehmen - zurückzurufen und

- die Anerkennung der Zugehörigkeit bei B. im Falle einer Weiterbeschäftigung bei A.

Über die Reintegration bzw. Einsatzverlängerung bei B. sollte sechs Monate nach Vertragsende entschieden werden. In den beigefügten Anlagen zum Entsendungsvertrag zu Vergütung und Zusatzleistungen wird ausgeführt, dass die Vergütungspolitik für den Auslandeseinsatz Bezug und Bindung zur Heimatgesellschaft aufrechterhalten solle und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen würden, als ob weiterhin ein inländisches Beschäftigungsverhältnis bestehe. Für die Dauer des Auslandseinsatzes erfolge eine Rentenversicherungspflicht auf Antrag oder die Entrichtung freiwilliger Beiträge; der Mitarbeiter bleibe weiter in der Kollektivunfallversicherung mit Versicherungssummen von 100.000 DM bei Tod und 200.000 DM bei Invalidität versichert.

Während der Tätigkeit in D. blieben die Ehefrau und die beiden Kinder des Klägers in Deutschland. Wegen Unstimmigkeiten und familiärer Schwierigkeiten kündigte der Kläger den Vertrag mit B. mit Schreiben vom 30.05.1999. Mit Schreiben vom 01.07.1999 wies A. darauf hin, dass bei vorzeitigem Vertragsende mit B. die Beschäftigungszusage keine Geltung habe, und bat ggf. um schriftliche Bestätigung der Kündigung. Daraufhin bat der Kläger mit Schreiben vom 27.07.1999 B. um Entbindung von den Dienstpflichten; die Entscheidung beruhe auf Rückführung zur A. und habe definitiven Charakter.

Der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung bei A. war Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Mit Urteil des Arbeitsgerichts XXX vom 25.11.1999 und des Landesarbeitsgerichts XXX vom 15.11.2000 wurde entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung bei A. habe, weil er den Vertrag mit B. vorzeitig ohne wichtigen Grund gekündigt habe.

Am 04.03.2003 begab sich der Kläger in die Privatklinik Dr. S. wegen seit Oktober 2002 rezidivierenden unproduktiven Hustens ohne Besserung auf Antibiotika, mehrmaliger Mittelohrentzündung und deutlicher Verschlechterung seines Allgemeinzustandes in den letzten Wochen. Festgestellt wurden ein...

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