Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Zusatzleistungen des Heimatkrankenversicherungsträgers nach Inanspruchnahme von Leistungen eines Krankenversicherungsleistungen im EU-Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Recht der Europäischen Union begründet neben den Ansprüchen gegen den Krankenversicherungsträger des Aufenthaltslands nach den dort geltenden Rechtsvorschriften keinen zusätzlichen Anspruch gegen den Versicherungsträger des Heimatstaats des Versicherten.

2. Benachteiligungen, die aus Unterschieden in der Gestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten herrühren, müssen nicht durch die Anwendung des Diskriminierungsverbots (Art. 12 EG-Verordnung) beseitigt werden.

 

Normenkette

EWG-VO 1408/71 Art. 28 Abs. 1 S. 2a, Art. 12; SGB V § 13 Abs. 3, 4 S. 1 Hs. 2, § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 6; SGB I § 30 Abs. 2

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Kostenerstattung für Zahnersatz, hilfsweise die Befreiung von der deutschen Krankenversicherungspflicht bzw. Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags auf die in Österreich geltende Höhe.

Der 1940 geborene Kläger, Mitglied der Krankenversicherung der Rentner, ist deutscher Staatsangehöriger, der am 01.02.2004 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hat. Am 24.02.2004 bestätigte die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) die künftige Betreuung des Klägers, die laut E 121 vom 24.02. 2004 nach Art.95 der EWG-Verordnung Nr.574/72 zu Lasten der Beklagten mit Pauschbetrag abgerechnet werde.

Am 03.01.2005 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für den von Dr. W. in I. angefertigten Zahnersatz. Die Rechnung des Zahnarztes vom 07.12.2004 betreffend die Behandlung vom 13.10. bis 06.12.2004 belief sich auf 5.870,00 EUR, die des Zahnlabors vom 17.12.2004 auf 475,68 EUR. Hierauf hat die TGKK 67,36 EUR erstattet.

Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme für die Privatrechnung mit Bescheid vom 05.01.2005 ab. Die Leistungen würden grundsätzlich als Sachleistung erbracht und über die Krankenversichertenkarte abgerechnet. Im Widerspruchsbescheid vom 31.05. 2005 heißt es weiter, die Kostenübernahme scheitere bereits an der unterlassenen vorherigen Einreichung eines Heil- und Kostenplans. Im Übrigen bestehe nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Kostenerstattung.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Kostenbeteiligung der Beklagten am Zahnersatz beantragt, weil dieser von einem zugelassenen Vertragszahnarzt der TGKK angefertigt worden sei. Er sei nicht rechtzeitig über die eingeschränkte Leistungspflicht informiert worden. Der Zahnarzt habe ihn über die fehlende Leistungspflicht der österreichischen Krankenkasse aufgeklärt, die Behandlung sei aber notwendig gewesen.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage am 11.01.2006 abgewiesen. Wegen § 13 Abs.4 SGB V in Verbindung mit Art.95 der EWG-Verordnung 574/72 bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, da die Leistungen der TGKK durch die Berechnung eines Pauschbetrags abgegolten seien. Die deutsche Krankenversicherung sei primär eine Inlandsversicherung. Die EWG-Verordnung 1408/71 gewähre lediglich die Gleichstellung mit pflichtversicherten Rentnern in Österreich. Formvorschriften nach EG-Recht seien bei der Zahnersatzversorgung des Klägers nicht verletzt worden, da ansonsten die Tiroler Gebietskrankenkasse keine Kostenerstattung gewährt hätte. Der Hilfsantrag auf Beitragsreduzierung sei unzulässig, da bislang nicht verbeschieden.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen, wegen seines dauerhaften Wohnsitzes in Österreich erstrebe er eine Versicherung zu österreichischen Bedingungen, da er trotz hoher deutscher Beiträge in Österreich geringere Leistungen erhalte. Der Zwangsbeitrag dürfte nicht höher sein als der österreichische Krankenversicherungsbeitrag. Es sei eine EU-weite Rechtsgrundlage notwendig, um zu verhindern, dass er die hohen Beiträge an die deutsche Kasse zu entrichten habe, gleichwohl dafür aber nur die in Österreich geringeren Leistungen erhalte. Er wäre lieber in Österreich direkt versichert. Die TGKK hat am 10.05. 2006 auf Anfrage mitgeteilt, die Versorgung mit Zahnkronen gehöre grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog. Laut Auskunft der Beklagten ist der Kläger im Zusammenhang mit der Bescheinigung vom 17.02.2004 auf dem Formblatt E 121 nicht über sein Wahlrecht zwischen Kostenerstattungsanspruch und Eintragung beim ausländischen Leistungsträger aufgeklärt worden, da die Kostenerstattung mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beliefe sich auf 873,20 EUR.

Hierzu hat der Kläger mitgeteilt, wenn er bei seiner Anmeldung bei der Tiroler Gebietskrankenkasse die Essanelle-Satzung gekannt hätte, hätte er gewiss nicht die Kostenerstattung gewählt. Extrazahlungen seien bei seiner Rente einfach nicht drin. Schon w...

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