Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. "grundsicherungsrelevanter Mietspiegel" der Stadt Augsburg. fehlende Repräsentativität der Daten

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Mietobergrenzen und den Anforderungen an die realitätsgerechte Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II in der Stadt Augsburg im Zeitraum November 2013 bis August 2015.

 

Orientierungssatz

1. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben. Das kann ua dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145 = juris RdNr 16).

2. Dabei ist eine Auswertung nur des Wohnungsbestandes bestimmter Anbieter bei der Erstellung des Konzepts zulässig, wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass hierdurch das untere Mietpreisniveau des gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes realistisch abgebildet wird.

3. Zwar stützt sich der "grundsicherungsrelevante Mietspiegel" der Stadt Augsburg auf eine Datenbasis von 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Wohnungsbestandes, die ihm zugrunde gelegte Datenbasis ermöglicht aber dennoch kein realitätsgerechtes Abbild der (im Vergleichszeitraum bzw streitigen Zeitraum) aktuellen Situation bei Neuanmietungen, da rund 95 % der Datensätze von sieben Anbietern bzw rund 84 % der Datensätze von drei Anbietern stammen und nicht erkennbar ist, dass diese Anbieter den in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestand derart beherrschen würden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22. Mai 2015 sowie des Bescheides des Beklagten vom 22. Oktober 2014, geändert durch Bescheide vom 22. November 2014 und vom 12. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2015, erneut geändert durch Bescheid vom 12. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iHv 1 193,06 € monatlich in der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2014 und iHv 1 210,93 € monatlich in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2015 zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum 1.11.2014 bis 30.4.2015 insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die dem Kläger und Berufungskläger (in der Folge: Kläger) bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II sind.

I

Der Beklagte und Berufungsbeklagte (in der Folge: Beklagter) nimmt für das Gebiet der kreisfreien Stadt A. als gemeinsame Einrichtung (§ 44 Abs 1 S 2 HS 1 SGB II) die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Bei im streitigen Zeitraum rd 280 000 Einwohnern (vgl www.statistik.bayern.de) waren von rd 145 000 Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum rd 93 000 zu Wohnzwecken vermietet (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, zensus 2011, Gebäude und Wohnungen sowie Wohnverhältnisse der Haushalte, Kreisfreie Stadt A. am 9.5.2011). Von den Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum standen rd 35 000 im Eigentum von Wohnungsgenossenschaften, Kommunen oder kommunalen Wohnungsunternehmen, privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen, anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen, Bund oder Land oder Organisationen ohne Erwerbszweck (zB Kirchen) (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, aaO). Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet oder (qualifizierte) Mietspiegel fehlten (zumindest) bis Februar 2013 und liegen - über die Datenbasis des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels hinaus für den streitigen Zeitraum bis heute nicht vor.

Auf dieser Grundlage beauftragte der zum Verfahren beigeladene, zuständige kommunale Träger die R. GbR, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, mit der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A., den diese im Augst 2013 (vgl Bl 79 ff der SG-Akte; in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel) und nach Überarbeitung im laufenden Berufungsverfahren (vgl Bl 245 ff der LSG-Akte; in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel, Juli 2017) wie folgt erstellte:

1. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel berechnet in einem ersten Schritt an Hand von Bestandsmieten die Angemessenheitsgrenze bestehend aus angemessenen Nettokaltkosten und angemessenen Betriebskosten. In einem zweiten Schritt überprüft er, ob Leistungsberechtigte tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen b...

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