Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: MdE nach unfallbedingten Augenverletzungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die MdE nach unfallbedingten Augenverletzungen richtet sich bei eingeschränktem Sehvermögen grundsätzlich nach der Sehschärfentabelle der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft. Andere mit der Funktionsminderung des Sehvermögens einhergehende Beeinträchtigungen sind grundsätzlich von den Tabellenwerten erfasst, wenn sie nicht wesentlich über das normalerweise zu erwartende Beeinträchtigungsmoment hinausgehen.

2. Bei der Bewertung der MdE nach einem Arbeitsunfall am Auge stellt die Weiterentwicklung einer bereits im Unfallzeitpunkt bestehenden Schädigung am anderen Auge (hier: Verschlechterung des Sehvermögens aufgrund Linsenverletzung) jedenfalls dann einen zu berücksichtigenden Vorschaden dar, wenn die frühere Augenverletzung ebenfalls auf einem versicherten Arbeitsunfall beruht und die Verschlechterung kausal i.S.d. Theorie der wesentlichen Bedingung Folge dieses früheren Arbeitsunfalls ist.

 

Tenor

I. Die Berufungen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 4. August 2020 werden zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger 80 vH der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall aus dem Jahr 2012 betreffend das linke Auge. Zuvor hatte sich bereits 2010 ein Arbeitsunfall betreffend das rechte Auge ereignet, der hier nicht streitig ist.

Der 1961 geborene Kläger, der bereits Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH wegen eines Arbeitsunfalls vom 25.2.1990 bezieht, hatte am 10.03.2010 während der Arbeit einen Unfall erlitten, bei dem er sich eine Holzlatte ins rechte Auge gestoßen hatte. Gemäß dem Durchgangsarztbericht der M wurde am rechten Auge eine massive Hyposphagma, eine Rubeosis iridis, eine Hornhauterosion, eine Skleraruptur, eine Contusio bulbi, eine Zyklitis und eine Netzhautblutung diagnostiziert. Den streitigen Unfall erlitt der Kläger am 5.10.2012 während der Arbeit, als ihm ein Expanderhaken gegen das linke Auge prallte. Er stellte sich am 9.10.2012 erstmals augenärztlich bei R vor, der eine Contusio bulbi, eine iritische Reizung sowie Sphinktereinrisse diagnostizierte. Die korrigierte Sehkraft des rechten Auges (RA) lag bei 1,0, die des linken Auges (LA) bei 0,7.

Am 11.2.2013 stellte der Kläger betreffend beide Arbeitsunfälle einen Rentenantrag. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Krankenkasse des Klägers mit, zwischen 2002 und 2013 hätten drei augenärztliche Konsultationen stattgefunden, und legte einen Augenarztbericht der S vom 27.2.1996 vor. Die Sehkraft ohne Korrektur betrug damals am LA 0,7 und am RA 0,4-0,5.

Die Beklagte holte daraufhin ein augenärztliches Rentengutachten des E vom 8.7.2013 ein. Dieser stellte eine korrigierte Sehkraft am RA und LA sowie eine beidäugige Gesamtsehschärfe von jeweils 1 fest. E führte aus, am 5.10.2012 sei es zu einer Augenprellung gekommen, wesentliche Unfallfolgen seien eine Linsentrübung, eine Glaskörperdestruktion, eine Makulaveränderung und eine erhöhte Blendempfindlichkeit. Unfallunabhängig bestünden eine Refraktionsstörung mit Notwendigkeit einer Brillenkorrektur sowie eine altersentsprechende Presbyopie. Die MdE liege bis auf Weiteres unter 10 vH.

Mit Bescheid vom 2.8.2013 wurde daraufhin ein Anspruch auf Verletztenrente nach dem Arbeitsunfall vom 5.10.2012 abgelehnt. Der Arbeitsunfall habe zu folgenden, bei der MdE-Bewertung berücksichtigten Beeinträchtigungen geführt: Linsentrübung, Glaskörperzerstörung, Veränderung der Makula, eine erhöhte Blendempfindlichkeit. Dadurch werde die MdE nicht um wenigstens 20 vH gemindert. Ein dagegen eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014 zurückgewiesen, wobei zur Begründung auf das Gutachten des E verwiesen wurde. Die dagegen am 30.07.2014 beim Sozialgericht (SG) Regensburg erhobene Klage wurde als unzulässig abgewiesen.

Mit Antrag vom 03.01.2017 begehrte der Kläger abermals die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund beider Unfallereignisse. Die Beklagte holte daraufhin zwei augenärztliche Gutachten des S1 vom 20.3.2017 ein. Dieser stellte eine korrigierte Sehschärfe am RA von 0,6, am LA von 0,8 und eine beidäugige korrigierte Gesamtsehschärfe von 0,8 fest. Die korrigierte Sehschärfe bei Blendung betrage am RA 0,2 und am LA 0,25. Der Unfall vom 5.10.2012 habe am linken Auge zu einer Schädigung der Pupillenmuskulatur und einer leichten Erweiterung der Pupille, zu leichten Linsentrübungen und zu einer Veränderung der Makula am Augenhintergrund geführt. Die MdE am linken Auge liege ab 7.3.2017 bei 5 vH.

Mit dem streitigen Bescheid vom 7.4.2014 wurde daraufhin ein Anspruch auf Verletztenrente nach dem Arbeitsunfall vom 5.10.2012 abgelehnt. Die Begutachtung durch S1 vom 7.3.2017 habe keine Befunde gezeigt, die eine MdE in rentenberechtigendem Grad ergeben. Dagegen legte der Bevollmächtigte des...

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