Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwerrentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 303 SGB 6. Berechnung des Unterhaltsbeitrages im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand. Berücksichtigung von Leistungen der Pflegekasse bei stationärer Unterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach §§ 46 Abs 2 S 1 Nr 2, 300 S 1 SGB VI besteht der Anspruch auf Witwerrente nur dann, wenn die verstorbene Versicherte den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat.

2. Zum Unterhaltsbedarf der Familie gehören sowohl die pflegebedingten Aufwendungen als auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Ehegatten, die im Rahmen eines Aufenthalts im Pflegeheim angefallen sind.

 

Orientierungssatz

1. Zur Berücksichtigung von Leistungen der Pflegekasse bei stationärer Unterbringung im Rahmen der Prüfung, ob die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend iS des § 303 SGB 6 bestritten hat.

2. Zum Leitsatz 2 vgl BSG vom 16.3.2006 - B 4 RA 15/05 R = SozR 4-2600 § 46 Nr 3.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.02.2022; Aktenzeichen B 5 R 33/21 R)

BSG (Beschluss vom 05.01.2022; Aktenzeichen B 5 R 33/21 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwerrente nach §§ 46 Abs 2 Nr 2 iVm 303 Satz 1 Regelung 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - hat.

Der 1933 geborene Kläger ist der Ehemann der 1933 geborenen und am 12.02.2017 verstorbenen Versicherten I. A.

Die Ehegatten hatten unter dem Datum 29.12.1988 eine gemeinsame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben, die am 29.12.1988 per Fax bei der Gemeinde A-Stadt (Wohnortgemeinde) einging und an die Beklagte weitergeleitet wurde.

Am 03.03.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von großer Witwerrente. In der dem Antrag beigefügten Anlage (Formblatterklärung R0690) machte der Kläger unter dem 08.05.2017 für den Zeitraum 02/2016 - 01/2017 folgende Angaben zum Einkommen, jeweils bezogen auf den Jahreszeitraum:

Einkommensart

Kläger

Versicherte

Regelaltersrente

9.634,06 €

5.307,32 €

Einkünfte aus Hausbesitz

a) Lagerraum

1.200,00 €

b) Mietwert bei Eigennutzung

5.160,00 €

Dividenden etc.

Ca. 1.580,00 €

Ca. 1.580,00 €

Pflegegeld nach SGB XI

1.612,00 € (11 x 2016)

1.775,00 € (1 x 2017)

Die Angaben zum Pflegegeld wurden ergänzt durch einen Hinweis auf ein "Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.03.2006 Seiten 9 + 10".

Die Einkommensverhältnisse hätten sich in den letzten 12 Monaten vor dem Tod der Versicherten nicht verändert. Zum Haushalt gehöre eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 86 qm (3 Zimmer, Küche, Bad). Die Versicherte habe sich im Pflegeheim (Pflegezentrum M., B-Stadt) befunden. Der Haushalt werde durch die Tochter K. C. "im Rahmen familienhafter Hilfe nach Bedarf" geführt. Sie koche, reinige, wasche und gehe einkaufen.

Vorgelegt wurde hierzu eine Steuerbescheinigung der Sparkasse B-Stadt für das Jahr 2016 mit Kapitalerträgen in Höhe von 3.172,36 € sowie zwei Rechnungen des Pflegezentrums M., B-Stadt vom 02.01.2017 über Kosten der Dauerpflege in Höhe von insgesamt 3.563,26 €, davon Eigenanteil der Versicherten in Höhe von 1.788,26 € für Januar 2017 sowie vom 01.12.2016 für Dezember 2016 in Höhe von 3.569,91 €, davon ein Eigenanteil der Versicherten in Höhe von 1.957,91 €.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 06.03.2017 mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.05.2017 ab. Die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 303 SGB VI seien nicht gegeben. Ein überwiegendes Bestreiten des Unterhalts der Familie durch die Versicherte liege nicht vor. Der angemessene Unterhalt der Familie umfasse alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich sei, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Für den Unterhaltsbedarf seien sämtliche wirtschaftlich messbaren Leistungen aller zu berücksichtigen, die zum Unterhalt der Familie beigetragen hätten. Hierzu zählten zum einen die Erwerbseinkommen und sonstigen Einkünfte der Ehegatten, zum anderen die Unterhaltsleistung in Gestalt der Haushaltsführung und der Sorge für eventuell vorhandene Kinder sowie die von dritter Seite gewährten Zuwendungen. Der "Unterhaltsbedarf" der Familie setze sich wie folgt zusammen:

* Einkünfte der Verstorbenen

* Einkünfte des Ehemannes

* Wert der Haushaltsführung

* Geldleistungen und sonstige wirtschaftlich messbare Leistungen von dritter Seite

Die Versicherte habe einen Rentenbetrag von i...

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