Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwerrentenanspruch nach § 303 SGB 6. Berechnung des Unterhaltsbeitrages im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand. Berücksichtigung von Leistungen der Pflegekasse bei stationärer Unterbringung

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung des BSG, wonach Leistungen der Pflegekasse bei vollstationärer Unterbringung als Unterhaltsbeitrag iS des § 303 SGB 6 zu berücksichtigen sind, wenn diese tatsächlich zur Deckung des Familienbedarfs eingesetzt wurden, kann im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte Änderung des SGB 11, nach der es sich bei einer stationären Unterbringung um eine Sachleistung und nicht um eine Geldleistung handelt, nicht mehr überzeugen (entgegen BSG vom 16.3.2006 - B 4 RA 15/05 R = SozR 4-2600 § 46 Nr 3).

2. Dem einzelnen Familienmitglied können nur solche Leistungen als Unterhaltsbeitrag iS des § 303 SGB 6 zugerechnet werden, über die es die Verfügungsbefugnis hatte (vgl BSG vom 1.2.1995 - 13 RJ 13/94). Leistungen der Pflegekasse, die nicht in der unmittelbaren Verfügungsgewalt der pflegebedürftigen Verstorbenen standen, sind daher bei der Bestimmung des Unterhaltsbeitrages nicht dem Einkommen zuzurechnen.

 

Normenkette

SGB VI § 303 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; SGB XI § 87a Abs. 3 S. 1, § 43 Abs. 1, § 41 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB V § 37; BGB § 1360 S. 1, § 1360 Abs. 1-3

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 17. August 2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 29. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2011 abgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger ein Witwerrentenanspruch nach § 303 SGB VI zusteht.

Der im Jahr 1919 geb. Kläger beantragte am 09.02.2010 die Gewährung von Witwerrente gemäß § 303 SGB VI aus der Versicherung seiner am 19.04.2009 verstorbenen Ehefrau V. A. Im Jahr vor dem Tod der Versicherten habe der Kläger 1.763,57 € Rente und die Verstorbene 971,19 € Rente aus der deutschen Rentenversicherung und 369,58 € VBL Rente bezogen (insgesamt 1340,77 €). Sie hätten zusammen eine Zweizimmerwohnung mit circa 52 m2 bewohnt. Den Haushalt habe der Ehemann geführt. Die Versicherte sei ab dem 01.01.2008 bis zum Tod pflegebedürftig gewesen. Ab dem 27.07.2008 bis zum 19.04.2009 habe sie sich im C. Pflege Zentrum in Bad K. in stationärer Behandlung befunden und Leistungen nach der Pflegestufe III bezogen. Für die Haushaltsführung und die Betreuung der pflegebedürftigen Ehefrau habe der Kläger bis zum 27.07.2008 circa 16 Stunden täglich aufgewendet. Er habe die Mahlzeiten für 2 Personen zubereitet, gespült, aufgeräumt, die Wohnung gereinigt, die Wäsche gewaschen, gebügelt und seine Frau gepflegt und betreut (Pflegestufe II).

Mit Bescheid vom 29.03.2010 wurde der Antrag abgelehnt, weil die Ehefrau nicht den überwiegenden Unterhalt bestritten habe. Als Einkünfte der Ehefrau seien ihre Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die Rente der VBL sowie das Pflegegeld anzurechnen. Die Einkünfte des Klägers bestünden aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der alleinigen Haushaltsführung anhand eines Tariflohns für einen Hausangestellten in Höhe von 1942,93 € monatlich.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass die Bewertung der Haushaltstätigkeit bei einem Rentnerhaushalt mit lediglich der Hälfte des Tabellenwertes anzusetzen sei. Im Übrigen habe der Kläger den Haushalt nicht allein geführt, sondern eine Haushaltshilfe beschäftigt. Es habe sich um ein betreutes Wohnen gehandelt. Eine Putzfrau habe die Wohnung regelmäßig gesäubert, in der Kantine sei gekocht worden und man habe einen Hausmeisterdienst in Anspruch nehmen können. Dies z.B. auch zum Einkaufen oder für Fahrten zu den Ärzten.

Die Beklagte erwiderte nach erneuter Prüfung, dass die Leistung der vollstationären Pflege von monatlich 1470 € bei der verstorbenen Ehefrau nicht zu den Einkünften zu rechnen sei. Die Leistungen der vollstationären Pflege nach § 43 SGB XI seien zweckgebunden und kämen alleine der pflegebedürftigen Person zugute. Sie seien daher nicht als Unterhaltsbeitrag zu bewerten. Daher sei unabhängig davon, inwieweit die Haushaltstätigkeiten dem Ehemann zuzuordnen seien, ein überwiegender Unterhalt durch die verstorbene Ehefrau nicht festzustellen.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 03.01.2011 zurückgewiesen. Die Ehegatten, hätten eine wirksame Erklärung zur weiteren Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben. Daher sei für den Kläger ein Anspruch auf Witwerrente nach § 46 SGB VI nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 303 SGB VI möglich. Danach müsste die verstorbene Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand überwiegend bestritten haben. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Diese Voraussetzungen lägen nur vor, wenn der Anteil der verstorbenen Ehefrau me...

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