nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Augsburg (Entscheidung vom 15.01.1998; Aktenzeichen S 7 RJ 432/96)

 

Tenor

i. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Januar 1998 und der Bescheid vom 29. August 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1996 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. September 1995 bis 20. März 1996 Halbwaisenrente zu gewähren.

ii. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.

iii. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist infolge der Beschränkung des Antrags im Berufungsverfahren nurmehr streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Halbwaisenrente für die Zeit vom 01.09.1995 bis 20.03.1996 hat.

Die am 1977 geborene Klägerin bezog auf der Grundlage des Bescheides der Beklagten vom 02.10.1993 ab 11.06.1993 befristet wegen der Vollendung des 18. Lebensjahres im August 1995 bis 31.08.1995 Halbwaisenrente aus der Versicherung des am 11.06.1993 verstorbenen Vaters. Wegen der Geburt des ersten Kindes L. im Mai 1994 unterbrach die Klägerin ihre Schulausbildung ab 8. März 1994 an der Freien Waldorfschule Augsburg und wurde von der Schule bis auf weiteres befreit.

Am 04.08.1995 hat die Klägerin im Hinblick auf ihren Erziehungsurlaub und die Teilnahme am Fernlehrgang "Abitur" bei der Studiengemeinschaft Darmstadt die Weitergewährung der Halbwaisenrente über den August 1995 hinaus beantragt. Die Studiengemeinschaft Darmstadt hat mitgeteilt, daß die Dauer bzw. der Umfang der Ausbildung vom Schüler selbst bestimmt werde. Die Regelstudienzeit betrage 42 Monate. Die wöchentliche Stundenzahl umfasse 10 bis 16 Stunden, wobei z.B. eine Woche auch nicht gearbeitet werden könne. Dies sei von seiten der Studiengemeinschaft nicht kontrollierbar. Es finde kein regelmäßiger mündlicher Unterricht statt. Die Studien fänden ausschließlich zu Hause statt.

Mit Bescheid vom 29.08.1995 wurde der Antrag auf Weitergewährung der Halbwaisenrente über den 31.08.1995 hinaus abgelehnt, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Die Klägerin befinde sich nicht mehr in Schul- oder Berufsausbildung. Der Fernlehrgang an der Studiengemeinschaft Darmstadt stelle keine Schul- oder Berufsausbildung im Sinne des § 48 Abs.4 SGB VI dar (Hinweis auf Urteil des BSG vom 25.11.1976 - 11 RA 146/75).

Hiergegen richtet sich der Widerspruch. Der Schulvertrag mit der Freien Waldorfschule Augsburg bestehe noch. Der Klägerin stehe auch nach dem 31.08.1995 Waisenrente zu, weil sie weiterhin eine Schulausbildung im Sinne von § 48 Abs.4 SGB VI absolviere. Die Klägerin habe durchgehend in einem Schulverhältnis gestanden und zwar auch in der Zeit nach der Geburt des ersten Kindes. Sie sei lediglich von der Schulpflicht beurlaubt gewesen. Eine derartige Beurlaubung sei rechtlich einem Erziehungsurlaub gleichzustellen. Die Vorschriften über die Regelung des Erziehungsurlaubes seien analog auf die Beurlaubung einer Schülerin von der Schulpflicht anzuwenden. Lediglich die sich aus dem Schulverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten des Schülers und der Schule, d.h. die entsprechende Anwesenheitspflicht und die Pflicht zur Vermittlung des Lehrstoffes, seien während der Zeit des Erziehungsurlaubes suspendiert. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß die Mutter der Klägerin weiterhin Kindergeld erhalte. Auf Anfrage der Beklagten hat die Freie Waldorfschule Augsburg mitgeteilt, daß die Klägerin seit 14.09. 1983 ab der Klasse 1 bis zum 07.03.1994 (Klasse 11) die Freie Waldorfschule Augsburg besucht habe. Das Schulverhältnis sei nicht durch eine Kündigung beendet, sondern lediglich durch die Geburt des ersten Kindes unterbrochen worden. Die Mutter der Klägerin habe um Verständnis dafür gebeten, daß die Klägerin später wieder ihre Schullaufbahn fortsetzen wolle. Dies sei dann nicht eingetreten, da die Klägerin ein zweites Kind erwartet habe und die Mutter mit Schreiben vom 20.03.1996 die endgültige Kündigung des Erziehungsvertrages vorgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.1996 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Schulausbildung im Sinne von § 48 Abs. 4 SGB VI sei die Ausbildung u.a. an allgemeinbildenden öffentlichen und privaten Schulen. Der Besuch einer derartigen schulischen Einrichtung sei "Schulausbildung", sofern die Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden durch die Ausbildung überwiegend in Anspruch genommen werden. Die überwiegende Beanspruchung durch die Schulausbildung sei zu bejahen, wenn die Ausbildung einen Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden wöchentlich erfordere. Dies sei bei der Studiengemeinschaft Darmstadt nicht gegeben, weil die wöchentliche zeitliche Belastung 10 bis 16 Stunden betrage und keine Kontrollmöglichkeit bestehe. Es finde auch kein regelmäßiger mündlicher Unterricht statt. Die Studienzeit finde ausschließlich zu Hause, fern jeglicher schulischer Einrichtung und Kontrolle, statt. Trotz des Fortbestehens eines Schulverhältnisses, welches durch die Beurlaubung unterbrochen wor...

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