Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis. Ergebnisse klinischer Prüfungen

 

Orientierungssatz

Bei einem Hilfsmittel, das therapeutischen Zwecken dient, müssen bei einem Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Geht es nur um eine Alternative zu einem gelisteten, herkömmlichen Hilfsmittel, reicht es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte aufweisen (vgl BSG vom 28.9.2006 - B 3 KR 28/05 R = BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, juris-RdNr 33).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.07.2015; Aktenzeichen B 3 KR 6/14 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. November 2007 sowie der Bescheid vom 05.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin produzierte C.-Kniebewegungsschiene in das Hilfsmittelverzeichnis für die Indikation “Vordere Kreuzbandruptur„ aufzunehmen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Gegenstandswert wird auf 20.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufnahme der von der Klägerin produzierten C.- Kniebewegungsschiene in das Hilfsmittelverzeichnis für die Indikation “Vordere Kreuzbandruptur„.

Die Klägerin stellt unter anderem die C. Bewegungsschiene her und vertreibt diese. Dabei handelt es sich um eine aktive Bewegungsschiene, die direkt postoperativ sowohl stationär als auch ambulant eingesetzt werden soll zur schnelleren Mobilisierung, Wiederherstellung des normalen Bewegungsumfangs des Gelenks und damit zur Sicherung des Operationserfolgs nach vorderer Kreuzbandruptur. Nach Auffassung des Herstellers, wie sie im Antrag auf Aufnahme der C. Bewegungsschiene in das Hilfsmittelverzeichnis vom 06.03.2002 dargestellt wurde, handelt es sich nicht um ein neues Behandlungskonzept, sondern um die Weiterentwicklung der postoperativen CPM-Bewegungstherapie. Mit dieser Schiene solle das operierte Gelenk zunächst passiv bewegt werden, um die Wiederherstellung des normalen Bewegungsumfangs zu erreichen. In einer späteren Phase der Rehabilitation könnten beide Beine aktiv bewegt werden. Darüber hinaus könne die aktivpassive Bewegung kombiniert werden, was ebenfalls zu einer beschleunigten Rehabilitation gegenüber der CPM-Behandlung führe. Die Verordnung und Einweisung erfolge durch den Arzt, die Anwendung könne ambulant durchgeführt werden. Mit dem Antrag legte die Klägerin entsprechende Produktbeschreibungen sowie Unterlagen über die Erfahrungsberichte aus dem Bundeswehrkrankenhaus D-Stadt (Dr. D., B., S. und G.) sowie eine Untersuchung "Rehabilitation nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands - der Einsatz der aktiven Bewegungsschiene C.„ von Professor Dr. P. und F. der A. Klinik H. vor.

Nach den Unterlagen in der Beklagtenakte fand ein Meinungsaustausch zwischen den damals beteiligten einzelnen Verbänden der Krankenkassen sowie deren ärztlichem Dienst statt, wobei auch grundsätzlich eine Diskussion, über die Unzufriedenheit der Beteiligten mit der Begutachtungssituation bei neuen Hilfsmitteln zum Ausdruck kam. Es solle intern eine Diskussion geführt werden, um eine einheitliche Akzeptanz des Hilfsmittelverzeichnisses zu erreichen um die Bereitschaft einzelner Krankenkassen unter Umgehung des Hilfsmittelverzeichnisses Verträge zu schließen, zu unterbinden.

Es erfolgte durch Dr. K. vom Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen eine Prüfung des therapeutischen Nutzens nach § 139 SGB V. In dieser Auswertung wurde auch zu den CPM-Schienen Stellung genommen.

Mit Bescheid vom 05.07.2004 wurde der Antrag, das Produkt C.-Bewegungsschiene in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 in Verbindung mit § 139 SGB V aufzunehmen, abgelehnt. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31. August 2000, B 3 KR 21/99 R, SozR 3-2500 § 139 Nr. 1) sei klargestellt, dass sich der therapeutische Nutzen nach § 139 Abs. 2 SGB V aus Studien zum Nachweis der Wirksamkeit bei beanspruchten Indikationen ableiten lassen müsse. Danach seien qualitativ angemessene prospektive, klinische Studien erforderlich, die den sach- und fachgerechten Einsatz und die Brauchbarkeit bzw. Eignung des Hilfsmittels im Rahmen der Eigenanwendung durch den Versicherten belegen können. Die vorgelegten Unterlagen entsprächen jedoch formal allenfalls der Evidenzstufe II a. Die Studien befassten sich zudem nur zum Teil mit einer häuslich durchgeführten aktiven Bewegungstherapie unter Einsatz der aktiven Bewegungsschiene Typ C. Im Übrigen würden die Ergebnisse der Studie von F. an Planungs- und Durchführungsmängeln leiden, so dass diese nicht ausreichend bewertet werden können. Die Studien von D. und P. seien hingegen lediglich im stationären Bereich durchgeführt worden. Trotz Einschränkung der Indikation könne...

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