Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Einpersonenhaushalt in München 2007 und 2008. fehlendes schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Untersuchungen des Gerichts. Berechnung anhand qualifiziertem Mietspiegel unter Heranziehung einer Sonderauswertung und eines Gutachtens eines Statistiksachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Grundsicherungsträger zur Begrenzung der angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 gezogene Mietobergrenze ist jedenfalls dann ausreichend, wenn sich aus dem repräsentativ gewonnenen Datenmaterial eines qualifizierten Mietspiegels nach anerkannten statischen Methoden

- auf einem hinreichend hohen Konfidenzniveau errechnen lässt, dass mindestens ein Fünftel der Wohnungen im Bereich der für die Haushaltsgröße nach der Produkttheorie maßgeblichen Wohnungsgröße die Mietobergrenze nicht überschreitet, und

- weitere Daten und Auswertungen sicherstellen, dass sich die von der Mietobergrenze abgedeckten Wohnungen in zumutbarer Weise über den gesamten Vergleichsraum verteilen.

2. Das Jobcenter München (vormals: ARGE München) war berechtigt, die für einen Einpersonenhaushalt im Gebiet der Landeshauptstadt München nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu übernehmenden angemessenen Kosten für Unterkunft

- im Jahr 2007 auf eine Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 EUR (Nettokaltmiete von 441,45 EUR + kalte Betriebskosten von 55 EUR) und

- im Jahr 2008 auf eine Bruttokaltmiete von 504,21 EUR (Nettokaltmiete von 449,21 EUR + kalte Betriebskosten von 55 EUR)

zu beschränken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.09.2013; Aktenzeichen B 4 AS 77/12 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26.11.2009

1. die Bescheide des Beklagten vom 13.02.2007, 14.02.2007 und 14.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des weiteren Änderungsbescheides vom 29.04.2009 betreffend die Leistungen für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 31.05.2007 aufgehoben und

2. unter Abänderung der Bescheide des Beklagten vom 23.04.2007, 14.08.2007, 22.10.2007, 14.02.2008, 07.05.2008, 03.07.2008 und 15.12.2008 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.12.2007 und 25.09.2008 und in der Fassung der weiteren Änderungsbescheide vom 29.04.2009 der Beklagte verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 9,88 EUR für Februar 2008 und in Höhe von jeweils 0,12 EUR für die Monate Juli bis November 2008 zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der vom Beklagten und Berufungsbeklagten im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für einen Ein-Personen-Haushalt in München im Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 30.11.2008 zu übernehmenden angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU).

Die 1959 geborene Klägerin und Berufungsklägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum alleine eine Wohnung mit 48 qm Wohnfläche in der M. in München. Nach dem Mietvertrag vom 27.03.2006 hatte sie einen Mietzins von monatlich 690 EUR zuzüglich einer Abschlagszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 55 EUR, insgesamt einen Gesamtbetrag von 745 EUR monatlich, zu bezahlen. Die monatlich an die Stadtwerke München zu leistenden Vorauszahlungen für Gas betrugen im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum jeweils 97 EUR, mit Ausnahme des Monats Februar 2008, in dem die Klägerin keine Vorauszahlung, sondern eine Nachzahlung aufgrund der Jahresabrechnung in Höhe von 107 EUR für Gas zu leisten hatte.

Im Zeitraum vom 13.06.2006 bis zum 28.02.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und berücksichtigte dabei die von der Klägerin zu zahlende Miete in voller Höhe.

Mit Schreiben vom 29.08.2006 informierte der Beklagte die Klägerin darüber, dass ihre Kaltmiete mit derzeit 690 EUR um einen Betrag von 292,70 EUR über der für die Haushaltsgröße der Klägerin angemessenen Mietobergrenze von 397,30 EUR liege. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich ab sofort intensiv um die Senkung ihrer Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 01.03.2007 könnten die Unterkunftskosten nur noch im Rahmen der Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete in Höhe von 397,30 EUR berücksichtigt werden. Am 16.12.2006 richtete der Beklagte an die Klägerin ein im Wesentlichen gleich lautendes Schreiben, das jedoch die Absenkung auf die Angemessenheitsgrenze bereits zum 01.01.2007 androhte.

Mit Bescheid vom 19.12.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2007 in Höhe von 1158 EUR monatlich. Darin waren Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 813 EUR mo...

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