Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Ausschreibungsfrist im Nachbesetzungsverfahren ist Ausschlussfrist. Verlängerung durch Kassenärztliche Vereinigung bei außergewöhnlichen Umständen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bei einer Ausschreibung im Nachbesetzungsverfahren gesetzte Frist ist eine Ausschlussfrist (Anschluss an BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 20/11 R = SozR 4-2500 § 103 Nr 10; Abweichung von der bisher vertretenen Auffassung des LSG München vom 23.4.2008 - L 12 KA 443/07 = MedR 2009, 491). Damit werden in einem grundrechtsrelevanten Bereich eine ausreichende Rechtssicherheit und Chancengleichheit gewährleistet.

2. Diese behördliche Ausschlussfrist kann nach pflichtgemäßen Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigung verlängert werden, soweit ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände vorliegen (§ 26 Abs 7 SGB 10).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.03.2014 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 9) und 10).

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Zulassung als Nachfolger des Beigeladenen zu 8) an Stelle der Beigeladenen zu und 9) und zu 10) hat.

Der Kläger stellte am 10.1.2011, beim Zulassungsausschuss eingegangen am 24.1.2011, einen Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und gab als Vertragsarztsitz die Adresse des Beigeladenen zu 8) an. Außerdem gab er an, die Praxis hälftig zusammen mit dem Beigeladenen zu 9) betreiben zu wollen.

Daraufhin teilte ihm der Zulassungsausschuss mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass die Bewerbungsfrist für die Praxis des Beigeladenen zu 8), Chiffrenummer … bereits am 30.12.2010 abgelaufen sei. Da die Bewerbung der Beigeladenen zu 1) nicht vorgelegen habe, sei er nicht auf der Bewerberliste eingetragen. Eine nachträgliche Bewerbung wäre nicht mehr fristgerecht.

Mit Bescheid vom 23.2.2011 lehnte der Zulassungsausschuss aufgrund der Sitzung am 21.2.2011 den Antrag des Klägers auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Nachfolger für den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8) ab. Die Praxis sei am ersten Freitag im Dezember 2010 im Bayerischen Staatsanzeiger ausgeschrieben worden. Im Ausschreibungstext sei ausgeführt, dass Bewerbungen formlos unter Angabe der Chiffrenummer bis spätestens 30.12.2010 an die Beigeladene zu 1) zu senden seien. Innerhalb dieser Frist seien mehrere Bewerbungen eingegangen. Die Beigeladene zu 1) habe daraufhin am 4.1.2011 eine Liste der eingegangenen Bewerbungen erstellt und an den Beigeladenen zu 8) versandt. Mit gleicher Post habe die Beigeladene zu 1) die Bewerberliste an den Zulassungsausschuss zur weiteren Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens abgegeben. Der Kläger habe sich nicht fristgerecht bis zum 30.12.2010 beworben. Der Zulassungsantrag sei erst am 24.1.2011 bei der Beigeladenen zu 1) eingegangen. Der Antrag auf Zulassung sei abzulehnen, da im Planungsbereich A-Stadt Stadt die Fachgruppe der Orthopäden bei einem Versorgungsgrad von 163,7 % gesperrt sei. Die Bewerbung für die Praxisnachfolge beim Beigeladenen zu 8) sei verspätet eingegangen. Damit sei die Bewerbung unbeachtlich. Eine Einbeziehung verspätet eingegangener Bewerbungen sei nur dann ausnahmsweise möglich, wenn kein anderer Bewerber vorhanden, zulassungsfähig oder fortführungswillig sei. Da es zulassungsfähige und fortführungswillige Bewerber gegeben habe, die sich fristgerecht beworben hätten, habe die Bewerbung des Klägers auch nicht ausnahmsweise berücksichtigt werden können.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 22.3.2011 Widerspruch ein. In der Widerspruchsbegründung vom 20.4.2011, die nach Akteneinsicht in alle vier Akten des Zulassungsausschusses erfolgte, wies die Bevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Beigeladenen zu 9) und zu 10) mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 21.2.2011 zur Fortführung der ausgeschriebenen Praxis zugelassen worden seien. Diese Beschlüsse seien dem Kläger nicht förmlich zugestellt worden. Der Kläger sei im Nachbesetzungsverfahren noch berücksichtigungsfähig gewesen, da die Bewerbungsfrist keine Ausschlussfrist sei. Im Übrigen sei die Nachbesetzung rechtswidrig, da eine Vollzulassung ausgeschrieben worden sei, jedoch zwei halbe Zulassungen erteilt worden seien.

Der Beklagte wies den Widerspruch aufgrund der Sitzung am 7.7.2011 mit Bescheid vom 4.8.2011 zurück. Die Praxis des Beigeladenen zu 8) sei am ersten Freitag im Dezember 2010 im Bayerischen Staatsanzeiger ausgeschrieben worden mit dem Hinweis, dass Bewerbungen formlos unter Angabe der Chiffrenummer bis spätestens 30.12.2010 an die Beigeladene zu 1) zu senden seien. Innerhalb der Frist seien mehrere Bewerbungen eingegangen. Am 4.1.2011 habe die Beigeladene zu 1) die Bewerberliste erstellt und an den Beigeladenen zu 8) sowie am gleichen Tag an den Zulassungsausschuss zur weiteren Durchführung de...

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