Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Beginn der Rahmenfrist. Arbeitslosengeldbezug im Wege der Gleichwohlgewährung. Restleistungsanspruch. Zeitpunkt der persönlichen Arbeitslosmeldung. keine nachträgliche Korrektur wegen Fortbestehen des versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beginn der Rahmenfrist nach § 143 Abs 1 SGB III wird, soweit bereits Arbeitslosengeld im Wege der Gleichwohlgewährung bewilligt worden ist, durch die persönliche Arbeitslosmeldung festgelegt, auch wenn das versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis über den Eintritt der leistungsrechtlichen Arbeitslosigkeit hinaus fortbesteht.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.07.2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) auch für September 2018.

Die 1956 geborene Klägerin war vom 01.09.2012 bis 31.10.2015 bei der S AG (S) als Assistentin des Vorstandes beschäftigt und bezog vom 01.11.2015 bis zum 31.07.2017 Alg von der Beklagten. Ab 01.08.2017 nahm sie wiederum eine Beschäftigung bei S auf. Nachdem über das Vermögen der S durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) München vom 01.06.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, stellte der Insolvenzverwalter die Klägerin mit ihr am 04.06.2018 zugegangenem Schreiben vom 01.06.2018 ab diesem Tag unter Erteilung des restlichen Erholungsurlaubes von der Arbeitsverpflichtung frei, und zwar im Anschluss an die vollständige Urlaubsnahme bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich. Mit Schreiben vom 12.06.2018 kündigte er das Arbeitsverhältnis zwischen S und der Klägerin ordentlich betriebsbedingt zum 30.09.2018; es bleibe bei der am 01.06.2018 ausgesprochenen Freistellung. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 07.06.2018 Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.03. bis 31.05.2018 bewilligt.

Bereits am 01.06.2018 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten persönlich arbeitsuchend und am 04.06.2018 mit Wirkung zum 01.06.2018 arbeitslos. Im Antragsformular für Alg findet sich ein handschriftlicher Vermerk des "OS 012", wonach der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass sie ab 01.06.2018 einen Anspruch auf Alg für 90 Tage habe; die Klägerin habe die Auffassung vertreten, das Alg werde ab 01.10.2018 als Neuanspruch berechnet, falls das ausgezahlte Alg durch den Insolvenzverwalter zu einem späteren Zeitpunkt erstattet werde. Dies sei verneint worden; in diesem Fall würden lediglich die erstatteten Tage bei weiterer Arbeitslosigkeit an die Klägerin ausgezahlt. Mit Bescheid vom 14.06.2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg in Höhe von 50,63 € täglich ab 01.06.2018 bis 30.08.2018 für 90 Tage. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein; sie befinde sich noch bis zum 30.09.2018 in einem Beschäftigungsverhältnis, erfülle damit die versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten von mindestens zwölf Monaten und habe Anspruch auf Alg über den verbliebenen Rest der 2015 bewilligten Anspruchsdauer hinaus. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2018 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe am 01.11.2015 einen Anspruch auf Alg für 720 Tage erworben, der sich aufgrund vorangegangener Zahlung (01.11.2015 bis 31.07.2017) um 630 Tage gemindert habe, und danach keine neue Anwartschaftszeit erfüllt. Innerhalb der Rahmenfrist vom 01.06.2016 bis 31.05.2018 habe sie nur 304 Tage an versicherungspflichtigen Zeiten zurückgelegt. Nach dem Tag der Anspruchsentstehung am 01.06.2018 liegende Zeiten der Freistellung könnten nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit herangezogen werden, denn danach befinde sich die Klägerin nur im Arbeits-, nicht aber im Beschäftigungsverhältnis.

Am 01.10.2018 nahm die Klägerin eine Beschäftigung als kaufmännische Angestellte bei R GmbH auf. Nach deren Beendigung bezog sie vom 01.08.2019 bis 30.05.2020 wiederum Alg bei der Beklagten und ab 01.06.2020 Altersrente für besonders langjährig Versicherte von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV).

Bereits am 09.08.2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, das Beschäftigungsverhältnis habe über den 31.05.2018 hinaus bestanden, denn sie sei zunächst nicht unwiderruflich freigestellt, sondern es sei ihr zuvor der restliche Jahreserholungsurlaub zugeteilt worden. Trotz Freistellung und zeitlich nicht näher definierter unwiderruflicher Freistellung sei sie nicht von ihren Tätigkeiten und Aufgaben entbunden gewesen, sondern "für die Beklagte" auch nach dem 31.05.2018 noch im Homeoffice vereinbarungsgemäß tätig gewesen. Sie habe noch Geschäftsunterlagen verwahrt, Posteingänge mit Posteingangsstempeln versehen und die eingehende Post jeweils mit dem Vermerk "Firma in Insolvenz" zurückgesandt. Auch habe sie für die S bzw. den Insolvenzverwalter telefonische Anfragen beantwortet und sei bei der Büroräumung im Juli 2018 täti...

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