Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Vorliegen einer Berufskrankheit (obstruktive Atemwegserkrankung)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV bei einer langjährigen Apothekertätigkeit.

2. Derzeit fehlt es an ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Dosis-Wirkung-Beziehung im Niedrigdosisbereich bei allergisch empfindlichen Personen.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. September 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob bei der Klägerin als Berufskrankheit eine obstruktive Atemwegserkrankung nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt.

Die 1970 geborene Klägerin ist approbierte Apothekerin und arbeitete, nach einem praktischen Jahr 1996/97, von Juli 1997 bis Mai 2004 als angestellte Apothekerin in verschiedenen Apotheken. Am 15. Dezember 2005 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit. Ende Mai 2004 habe sie auf Anraten ihres Allergologen und Lungenarztes Dr. L. wegen verstärkender Allergien ihre Tätigkeit in der Apotheke aufgegeben. Dieser bescheinigte am 18. Mai 2004 ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, eine Rhinokonjunktivitis allergica bei klinisch relevanter Gräser- und Roggenpollen- sowie Kräuterpollenallergie mit oralem Allergiesyndrom bei Äpfeln und Walnüssen sowie Fisch und eine Sulfit-Unverträglichkeit. Eine Bodyplethysmographie habe keine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung ergeben.

Die Beklagte holte u.a. verschiedene ärztliche Befundberichte sowie eine Bescheinigung der AOK Bayern über Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von 1985 bis 9. Februar 2006 ein und beauftragte die Internistin und Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. L. mit der Erstellung eines lungenfachärztlichen Gutachtens (Gutachten vom 19. Juli 2006). Eine Pricktestung, Scratch- oder Epikutantestung gegenüber den fraglichen Berufsstoffen lehnte die Klägerin gegenüber der Gutachterin ab. Das Gesamt-IgE war geringgradig erhöht. Gegenüber den beruflich verwendeten Stoffen Chlor, Ethanol, Toluol, Xylol, Acetylsalicylsäure (ASS) und Ispropanol konnten keine spezifischen Antikörper nachgewiesen werden. Die Sachverständige stellte somit gegenüber beruflich genutzten Stoffen immunologisch keinen Hinweis für eine relevante Sensibilisierung fest. Eine Einschränkung der Lungenfunktion konnte nicht beschrieben werden; es ergab sich ferner kein Hinweis für eine Hyperreaktivität des Bronchialsystems. Der Sachverständige diagnostizierte Sensibilisierungen gegenüber Gräserpollen, Pollen früh- und spätblühender Bäume, gegenüber Kräuterpollen, gegenüber Tierhaaren, verschiedensten Nahrungsmitteln, fraglich gegenüber Spermien und Intoleranz gegenüber Sulfit und gegenüber verschiedenen Schmerzmedikamenten. Es bestehe anamnestisch ein Asthma bronchiale ohne Nachweis einer unspezifischen Hyperreaktivität des Bronchialsystems. Nicht gesichert sei die Diagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Die Atemnot und zeitweiligen Hautveränderungen stünden eindeutig nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit als Apothekerin. Ob eine wesentliche Verschlimmerung durch die genannten beruflichen Stoffe ausgelöst wurde, könne aktuell nicht geklärt werden, da eine spezifische Provokation unter ambulanten Bedingungen abgelehnt wurde.

Am 5. Dezember 2006 wurde in der Klinik für Berufskrankheiten B. R. ein Provokationstest unter stationären Bedingungen mit den Stoffen Oleum Lanadulae und Oleum Eucalyti sowie eine Provokationsprüfung mit Talkum durchgeführt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Januar 2007 führte Dr. L. hierzu aus, dass ein Abfall des Nasenflows nachweisbar gewesen sei, jedoch keine Lungenfunktionseinschränkungen. Eine asthmaähnliche Symptomatik sei nicht aufgetreten. Der Provokationstest mit Methacholin und die inhalative Provokation mit Talkumpuder seien negativ verlaufen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass Sensibilisierungen gegenüber verschiedensten, überall vorkommenden Stoffen nachweisbar waren. Die Diagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung - eines Asthma bronchiale - sei nicht als gesichert zu sehen. Das fragliche Asthma bronchiale werde durch berufliche Einwirkungen nicht verursacht oder richtungsgebend verschlimmert. Die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt.

Die Einschätzung wurde vom Gewerbearzt mit Stellungnahme vom 29. Januar 2007 geteilt.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2007 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die gutachterlichen Äußerungen der Dr. L. die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur BKV ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2009 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben. Es bestünden eine allergische Rhinopathie, wie ...

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