Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenkasse: Versorgung eines Versicherten mit Cannabisblüten

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verordnung von medizinischem Cannabis zur Behandlung von Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt nicht in Betracht.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 24.01.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Versorgung des Antragstellers mit Cannabinoiden.

Der 1985 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer beantragte am 23.11.2018 die Kostenübernahme für eine Behandlung mit Cannabis bei der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin, seiner Krankenkasse. Er sei bereits in erfolgreicher Cannabisbehandlung, es bestehe für ihn jedoch keine Möglichkeit, die Therapiekosten aus eigenen Mitteln weiter zu bestreiten. Im beigefügten Arztfragebogen zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) führte Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, Palliativmediziner, Psychotherapeut, aus, es sollten folgende Produkte verordnet werden: 1. Dronabinol Lsg. (THC) 2. Bedrocan (THC/CBD) 3. Penelope (THC/CBD). Als Darreichungsform wurde zu 1. Lsg./Tropfen angegeben, zu 2. und 3. Blüten. Die Zieldosierung sei noch unklar. Ziel der Behandlung sei die Verbesserung der Nachtschlaftiefe und -qualität des Antragstellers mit konsekutiver Erhöhung der Tagesvigilanz. Die Erkrankung sei schwerwiegend, weil die Tagesmüdigkeit die soziale Funktion massiv beeinträchtige (Arbeitsunfähigkeit). Andere Erkrankungen neben der Hypersomnie bestünden nicht. Bzgl. der bisherigen Therapieversuche wird im Fragebogen auf die "beiliegende Doku" verwiesen. Auf die Aufforderung im Fragebogen, Literatur zu benennen, aus der hervorgehe, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehe, erfolgte der Hinweis "Kasuistiken, keine systematische Studienlage".

Dem Antrag beigefügt war eine ausführliche, vom Antragsteller verfasste Darstellung des bisherigen Therapieverlaufs. Die chronische Müdigkeit habe im Zusammenhang mit einer stationär behandelten Suchtproblematik vor ca. 15 Jahren begonnen. Behandlungen mit Doxepin, mit Mirtazapin und mit anderen Antidepressiva seien ohne Erfolg geblieben, ebenso wie eine psychotherapeutische Behandlung von 2010 bis 2012. Eine Vorstellung im Schlaflabor habe außer einzelnen unauffälligen Atemaussetzern und Schnarchern keine Erkenntnisse gebracht. Auch die Behandlung mit Elontril habe keinen Erfolg gezeitigt, sondern nur starke Nebenwirkungen verursacht. Seit 25.10.2018 sei er nun - trotz anfänglicher Skepsis wegen seiner früheren Suchtproblematik - in der Cannabistherapie bei Dr. S. mit Blüten und Dronabinol, was zu einer deutlichen Verbesserung seines Nachtschlafs geführt habe, so dass er dank der Cannabisblüten nunmehr an vier von sieben Tagen ohne jeglichen Tagschlaf auskomme. Früher habe er sich dagegen immer mittags hinlegen und schlafen müssen, oft auch zweimal am Tag und das dann 1-1,5 Stunden.

Laut einem dem Antrag ebenfalls beigefügten Befundbericht des M., M-Stadt (Schlafambulanz) vom 24.07.2018 entspreche die Symptomatik des Antragstellers einer nicht organischen Hypersomnie (DD Narkolepsie). Zur früheren psychiatrischen Vorgeschichte habe der Antragsteller eine Politoxikomanie mit Gebrauch von Amphetaminen und Cannabis zwischen dem 11. und dem 18. Lebensjahr berichtet.

Schließlich waren dem Antrag noch weitere ärztliche Unterlagen beigefügt, insbesondere drei Arztbriefe des Neurologen und Psychiaters Dr. S. an die Hausärztin des Antragstellers, Frau Dr. Sch.: Im Arztbrief vom 23.02.2018 stellte Dr. S. folgende Diagnosen: Chronische Müdigkeit zur DD, Dysthymie, Z.n. Amphetaminabusus. Eine organische Ursache für die beklagte Müdigkeit dürfte nicht vorliegen, eher sei primär ein multidimensional-psychisches Geschehen anzunehmen vor dem Hintergrund entsprechender lebensgeschichtlicher Variablen und aktueller Belastungen, der Drogenanamnese des Antragstellers und entsprechender Persönlichkeitsvariablen mit "Sucht" zur Optimierung und Außenorientierung. Nach einer Ausschlussdiagnostik im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme sei die Suche nach einer psychotherapeutischen Begleitung zu diskutieren. Im Arztbrief vom 12.04.2018 wurden Wirkung und Nebenwirkung des vom Antragsteller eingenommenen Medikaments Bupropion gegeneinander abgewogen. Der Antragsteller komme damit "jetzt relativ gut zurecht", die Müdigkeit sei auch verbessert. Laut Arztbrief vom 21.11.2018 hat Dr. S. vom inzwischen begonnenen Therapieversuch mit Cannabis Kenntnis genommen. Der Antragsteller wirke aktuell deutlich zufriedener, etwas angetrieben-hyperthym. Da der Antragsteller über einen sehr positiven Therapieerfolg berichte, sei aus nervenfachärztlicher Sicht gegen diese Maßnahme kein Einwand zu e...

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