Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Rahmengebühr. Festlegung der Toleranzgrenze. gesonderte Prüfung für jede Gebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Festlegung der 20%-Toleranzgrenze sind nicht die gesamten Gebühren des Verfahrensabschnitts maßgebend, sondern es ist auf die einzelne Gebühr abzustellen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 03.08.2016, S 40 SF 275/16, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Streitig ist die Höhe der Verfahrensgebühr.

Inhalt des dieser Kostenstreitigkeit zugrundeliegenden Klageverfahrens (S 52 AS 1219/11) war die Ablehnung der Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.12.2010, insbesondere der tatsächliche Aufenthalt der Klägerin in ihrer Wohnung.

Die Erinnerungsführerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) erhob für die Klägerin am 12.05.2011 Klage zum Sozialgericht München (SG), begründete diese im Folgenden auf einer Seite und erwiderte auf die Klageerwiderung, wobei im Einzelnen auf die Stromzählerstände für das erste Halbjahr 2011 eingegangen wurde. Mit Beschluss vom 10.11.2011 bewilligte das SG antragsgemäß PKH ab Klageerhebung. Im April 2012 nahm die Beschwerdegegnerin Akteneinsicht in die über 1000 Blätter umfassende Beklagtenakte. Auf Schreiben des Gerichts wurden mit Schreiben vom 12.10.2012 39 Seiten Rechnungen über Nebenkosten, Strom und Telekom der Klägerin vorgelegt, zudem wurde auf die ausführliche, insgesamt drei Seiten sowie sieben Seiten Anlagen umfassende Klageerwiderung des Beklagten erneut auf einer Seite Stellung genommen. Am 08.07.2013 stellte die Beschwerdegegnerin Antrag auf eine Zeugenladung. Es erfolgte dann eine schriftliche Stellungnahme der Zeugin, die zu berücksichtigen war. Am 22.07.2013 fand zusammen mit dem Verfahren S 52 AS 1220/11 (Kosten im Zusammenhang mit einer Räumung) ein Verhandlungstermin statt, bei dem drei Zeugen gehört wurden. Der Termin dauerte von 13:00 Uhr bis 15:21 Uhr. Der Rechtsstreit wurde vertagt.

Mit Schreiben vom 05.08.2013 regte die Beschwerdegegnerin eine Anfrage an die ehemalige Vermieterin der Klägerin an, die auch erfolgte. Mit weiterem kurzen Schreiben übersandte die Beschwerdegegnerin Bescheide der Klägerin betreffend Wasser und Abwasser. Am 10.09.2013 fand zusammen mit dem Verfahren S 52 AS 1220/11 ein Beweisaufnahmetermin in A-Stadt statt, bei dem eine Zeugin vernommen wurde. Der Termin dauerte von 13:31 Uhr bis 14:23 Uhr.

Mit Beschluss vom 12.09.2013 wurde das Verfahren S 52 AS 1220/11 mit dem hier streitigen Verfahren S 52 AS 1219/11 verbunden. Danach erfolgte nochmals eine einseitige Stellungnahme der Beschwerdegegnerin. Im Schreiben vom 02.10.2013 nahm die Beschwerdegegnerin zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid sowie zum Ergebnis der Zeugeneinvernahmen Stellung. Mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2013 wurde der Klage teilweise stattgegeben.

Mit Kostennote vom 23.10.2013 beantragte die Beschwerdegegnerin, ihre Vergütung in der Streitsache Az.: S 52 AS 1219/11 wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

 460,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG

 380,00 Euro

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG

 25,00 Euro

19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 168,15 Euro

Gesamtbetrag

 1.053,15 Euro

Hiervon 4/5

 842,52 Euro

Mit Beschluss vom 17.06.2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Gebühren auf 741,37 Euro fest. Terminsgebühr und Auslagen entsprachen dabei dem Antrag der Beschwerdegegnerin, lediglich die Verfahrensgebühr setzte die Kostenbeamtin abweichend auf 375,00 Euro fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und die Schwierigkeit der Angelegenheit seien mit überdurchschnittlich zu bewerten. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeberin sei durchschnittlich. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin seien unterdurchschnittlich.

Angemessen sei daher eine Verfahrensgebühr in Höhe von 50 % oberhalb der Mittelgebühr. Die Terminsgebühr sei antragsgemäß in Höhe der Höchstgebühr festzusetzen. Das anwaltliche Ermessen rechtfertige keine andere Berechnung, nachdem die geltend gemachte Verfahrensgebühr diejenige, die als angemessen erachtet werde, um mehr als 20 % übersteige.

Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdegegnerin am 22.06.2016 Erinnerung ein. Die Festsetzung einer Verfahrensgebühr von 375,00 Euro sei aufgrund des Aufwandes, der Komplexität der Sache und der Bedeutung für die Klägerin nicht sachgerecht. Für Besprechungen, Telefonate und Korrespondenz mit dem Vertreter der Klägerin sei ein enormer Zeitaufwand erforderlich gewesen, ebenso für die mehr als 1000 Seiten Verwaltungsakten, aus denen die Zuordnung der Unterlagen zu insgesa...

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