Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. keine Anrechnung der im Widerspruchsverfahren verdienten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für ein parallel geführtes Eilverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Anrechnung der im Vorverfahren verdienten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr eines damit im Zusammenhang stehenden gerichtlichen Eilverfahrens findet nicht statt, da es sich hinsichtlich des Widerspruchs- und des Eilrechtsschutzverfahrens nicht um denselben Gegenstand im Sinne von Vorbem 3 Abs 4 S 1 VV RVG (juris: RVG-VV) handelt.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG München vom 4. September 2017, S 36 SF 150/17 E, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Im Streit steht die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) im Verfahren S 8 AS 2673/16 ER. Streitig ist allein, ob bei der Berechnung der nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer) zu erstattenden Kosten die geltend gemachte Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG in voller Höhe anzusetzen ist oder ob auf diese Gebühr bei der Kostenfestsetzung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die für die vorgerichtliche Tätigkeit angefallene Geschäftsgebühr teilweise anzurechnen ist.

Mit Antrag vom 04.10.2016 hatte der Antragsteller des Verfahrens S 8 AS 2673/16 ER beim Antragsgegner (Jobcenter Freising) Leistungen nach dem SGB II beantragt, die dieser mit Bescheid vom 07.11.2016 ablehnte. Der Antragsteller sei von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da er sich im Rahmen einer Bewährungsweisung in einer stationären Drogentherapie befinde. Gegen die ablehnende Entscheidung legte der Antragsteller, anwaltlich vertreten durch den Beschwerdegegner, am 11.11.2016 Widerspruch ein.

Am 14.11.2016 beantragte der auch hier vom Beschwerdegegner vertretene Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) im Wege einer einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 14.11.2016 bis einschließlich Februar 2017 monatlich 404 € zu bewilligen. Das SG bewilligte dem Antragsteller mit Beschluss vom 09.12.2016 ab Verfahrensbeginn Prozesskostenhilfe und ordnete den Beschwerdegegner bei. Mit Beschluss vom gleichen Tag verpflichtete das SG das Jobcenter, dem Antragsteller vorläufig SGB II Leistungen in Höhe von monatlich ca. 180 € zu gewähren und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Das Jobcenter wurde verpflichtet, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2016 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren für das Antragsverfahren S 8 AS 2673/16 ER:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

19% USt, 7008 VV RVG

60,80 €

Gesamt:

380,80 €

Für das parallel zum gerichtlichen Eilverfahren geführte Widerspruchsverfahren habe ihm das Jobcenter mit Zahlungseingang vom 25.01.2017 einen Betrag in Höhe von 380,80 € erstattet. Unter Verweis auf den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21.06.2016, L 15 SF 39/14 E machte er geltend, eine Anrechnung dieser Gebühren käme jedoch nicht in Betracht.

Das Jobcenter teilte mit, zu einer Zahlung der Hälfte der geltend gemachten Kosten (380,80 € / 2) für das Antragsverfahren bereit zu sein, eine Auszahlung sei noch nicht erfolgt.

Mit Beschluss vom 09.03.2017 setzte die zuständige Urkundsbeamte die Vergütung im Verfahren S 8 AS 2673/16 ER wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

- Gem. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen

150,00 €

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

20 €

19% USt. 7008 VV RVG

32,30 €

Gesamt:

202,30 €

Die erhaltene Gebühr für das Widerspruchsverfahren sei anzurechnen. Der vom Beschwerdegegner angeführte Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts sei nicht einschlägig. Dort sei Gegenstand die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsakts gewesen, während hier eine Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG getroffen worden sei.

Hiergegen hat der Beschwerdegegner am 16.03.2017 Erinnerung eingelegt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss weiche von der ständigen gerichtlichen Praxis der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit ab. Das Widerspruchsverfahren und das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz seien unterschiedliche Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinn und hätten jeweils einen unterschiedlichen Streitgegenstand. Der Beschwerdeführer führte unter Verweis auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 31.05.2016, L 2 AS 603/15 B aus, maßgeblich sei allein, ob - wie hier - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise "derselbe Gegenstand" vorliege.

Das SG hat mit Beschluss vom 4. September 2017 den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.03.2017 abgeändert und die im Antragsverfahren S 8 AS 2673/16 ER zu erstattende Vergütung auf insgesamt 380,00 € festgesetzt. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolge nicht. Nur soweit wegen "desselben Gegenstandes" e...

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