Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Hochschulambulanz. Auslegung der Ermächtigungsvorschrift des § 117 Abs 1 SGB 5 idF vom 16.7.2015. Anwendung auf ein nicht an eine Hochschulklinik, sondern an ein der Hochschule selbst angegliedertes Institut. Voraussetzung für die Erteilung einer persönlichen Ermächtigung nach § 116 SGB 5 neben der gesetzliche Ermächtigung eines Instituts. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Vollziehungsinteresse. Anforderungen an die Begründung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein nicht der Hochschulklinik, sondern der Hochschule selbst angebundenes Institut fällt in den direkten Anwendungsbereich der gesetzlichen Ermächtigung des § 117 Abs 1 SGB V (idF des GKV-VSG).

2. Eine einschränkende Auslegung dahingehend, diese Institute von der gesetzlichen Ermächtigung des § 117 Abs 1 SGB V auszunehmen, widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, die gesetzlichen Grundlagen für die Ermächtigung der Hochschulambulanzen zur ambulanten Behandlung weiterzuentwickeln.

 

Orientierungssatz

1. Die gesetzliche Ermächtigung eines Instituts nach § 117 Abs 1 SGB 5 steht der Erteilung einer persönlichen Ermächtigung nach § 116 SGB 5 bei einem darüber hinaus gegebenen Bedarf nicht von vornherein entgegen. Dies setzt jedoch voraus, dass unter Berücksichtigung der bereits im Rahmen des § 117 Abs 1 SGB 5 erbrachten Leistungen noch eine Versorgungslücke verbleibt (vgl BSG vom 1.7.1998 - B 6 KA 43/97 R = BSGE 82, 216 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9).

2. Öffentliches Interesse zur Anordnung einer sofortigen Vollziehung verlangt mehr als das für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Interesse. Notwendig ist ein zusätzliches öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes nicht zur Begründung der Anordnung der Vollziehung ausreichen.

3. Die vom Gesetzgeber beabsichtige "Warnfunktion" der Begründungspflicht beruht auf dem hohen, auch verfassungsrechtlichen Stellenwert, der aufgrund Art 19 Abs 4 GG der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen (belastende) Verwaltungsakte zuzumessen ist (vgl LSG Darmstadt vom 23.12.2005 - L 7 AL 228/05 ER).

4. Auch wenn die Anforderungen an die Begründung nicht überspannt werden dürfen, muss jedoch wenigstens ansatzweise erkennbar sein, auf was für eine Art der fachlichen Beurteilung die Behörde (hier: der Berufungsausschuss) abgestellt hat.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 5. Oktober 2016, S 38 KA 652/16 ER wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitgegenständlich ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Bf.) vom 21.7.2016.

Der Beigeladene zu 1), Pathologe und Direktor des pathologischen Instituts der Universität A-Stadt, beantragte mit Schreiben vom 5.6.2015 eine Folgeermächtigung für die Zeit ab dem 1.1.2016 für die Durchführung bestimmter histologischer oder zytologischer und molekulargenetischer Leistungen. Entsprechende Ermächtigungen waren ihm bereits für die Zeit vom 1.1.2012 bis 31.12.2013 und 1.1.2014 bis 31.12.2015 auf der Basis von § 31a Ärzte-ZV erteilt worden. Der Zulassungsausschuss Ärzte (ZA) lehnte den Antrag auf Erteilung der (Folge-)Ermächtigung mit Beschluss vom 9.12.2015 ab. Eine Ermächtigung nach § 116 SGB V in Verbindung mit § 31a Ärzte-ZV käme schon deshalb nicht in Betracht, da der Beigeladene zu 1) nach eigenem Vorbringen nicht an einem Krankenhaus im Sinne der Vorschrift tätig sei. Einer Ermächtigung stünde aber auch der mit dem GKV-Versorgungstärkungsgesetz (GKV-VSG) geänderte § 117 Abs. 1 SGB V entgegen. Nunmehr seien Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der nach § 75 Abs. 3 genannten Personen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang sowie für solche Personen, die wegen Art, Schwere und Komplexität ihrer Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanz bedürften, bereits gesetzlich ermächtigt. Das vom Beigeladenen bisher im Rahmen seiner persönlichen Ermächtigung in Nebentätigkeit bereit gehaltene Leistungsangebot könne jedenfalls künftig im Rahmen der bedarfsunabhängigen gesetzlichen Ermächtigung des ihm unterstehenden pathologischen Instituts der Universität A-Stadt erbracht werden. Diese Bedarfsdeckung sei zu berücksichtigen. Damit stehe die gesetzliche Ermächtigung des pathologischen Instituts der Annahme eines qualitativen Versorgungsbedarfs und damit der vom Beigeladenen zu 1) begehrten erneuten persönlichen Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss entgegen.

Auf den vom Beigeladenen zu 1) eingelegten Widerspruch hob der Bf. den Beschluss des ZA auf, erteilte die beantragte Ermächtigung auf Basis der Rechtsgrundlage des § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV in Verbindu...

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