rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenbeitrag für Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Elterngeld als Einkommen im Sinne des § 93 SGB VIII

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hilfe nach § 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist keine Sozialleistung im Sinne des § 10 Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetzes (BEEG), deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist.

 

Normenkette

SGB VIII § 91 Abs. 1 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 93 Abs. 1 S. 3; BEEG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 5, § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Ansbach (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen AN 14 K 09.1782)

 

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Rz. 1

 Die Beteiligten streiten um einen Kostenbeitrag der Klägerin für von der Beklagten bewilligte Maßnahmen einer Hilfe zur Erziehung.

Rz. 2

 Die am … 1988 geborene Klägerin steht unter Betreuung ihres Prozessbevollmächtigten. Sie erhält von der Beklagten als Leistung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Hilfe zur Erziehung ihres Sohnes J… in Form der Kostenübernahme für die Unterbringung in einer Einrichtung für Mutter und Kind (§ 19 SGB VIII). Sie hält sich seit dem 10. Juni 2008 im Mutter-Kind-Heim in … auf. Die Beklagte bewilligte die Übernahme der Kosten für die Unterbringung der Klägerin ab dem 29. September 2008 und für ihren am 8. Januar 2009 geborenen Sohn J… ab dem 12. Januar 2009. Die Mitteilung über eine etwaige Kostenbeitragspflicht erging am 2. Oktober 2008.

Rz. 3

 Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. April 2009 setzte die Beklagte gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII den Kostenbeitrag für die Unterbringung des Sohnes J… ab dem 12. Januar 2009 in Höhe des Kindergeldes fest. Die Familienkasse überwies auf deren Antrag das Kindergeld gemäß § 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unmittelbar an die Beklagte.

Rz. 4

 Das Zentrum Bayern Familie und Soziales – Region Mittelfranken – bewilligte am 30. Januar 2009 der Klägerin Elterngeld für 12 Monate in der Zeit vom 8. Januar 2009 bis 8. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 300 EUR.

Rz. 5

 Daraufhin setzte die Beklagte den von der Klägerin für die ihr gewährte Hilfe zu zahlenden Kostenbeitrag nach deren Anhörung mit Bescheid vom 31. August 2009 ab dem 1. Juli 2009 auf monatlich 184 EUR fest. Sie ging dabei von einem Gesamteinkommen der Klägerin in Höhe von 464 EUR (164 EUR Kindergeld und 300 EUR Elterngeld) aus und berechnet den Kostenbeitrag nach § 94 Abs. 6 SGB VIII in Höhe von 75 v.H. des Gesamteinkommens, mithin 348 EUR. Da das Kindergeld direkt an das Jugendamt ausbezahlt werde, berechne sich der monatlich noch zu zahlende Kostenbeitrag auf 184 EUR.

Rz. 6

 Dieser Bescheid wurde dem Betreuer der Klägerin am 4. September 2009 zugestellt. Mit seinen am 22. September 2009 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingereichten Klageentwurf beantragte dieser die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, im Wesentlichen mit dem Hinweis, das Elterngeld sei nicht als Einkommen gemäß § 93 SGB VIII anzusetzen. § 10 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz – BEEG) vom 5.12.2006 (BGBl. I S. 2748) regle, dass das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderem Einkommen abhängig sei, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 EUR anrechnungsfrei bleiben solle. Ziel der Vorschrift sei es, den Anspruchsberechtigten, die zugleich Anspruch auf Sozialleistungen hätten, einen monetären Vorteil durch den Bezug des Elterngeldes zu sichern. Es solle mindestens ein Sockelbetrag in Höhe von 300 EUR beim Anspruchsberechtigten verbleiben. Das ergebe sich auch aus § 2 Abs. 5 BEEG, der bestimme, dass das Elterngeld mindestens in Höhe von 300 EUR zu gewähren sei. Der monetäre Vorteil entfiele vollständig, wenn das Elterngeld in voller Höhe als Einkommen für die Kostenbeteiligung zur Verfügung stehen müsste.

Rz. 7

 Die Beklagte trat diesen Ausführungen entgegen. Sie hielt die Klage für unzulässig, denn eine Prozesshandlung dürfe nicht von einer außerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden, auch nicht davon, dass die beantragte Prozesskostenhilfe gewährt werde. Anders als das Bundeserziehungsgeld habe eine Leistung nach dem Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz eine einkommensersetzende Funktion und sei somit als Einkommen im Sinne des § 93 SGB VIII anzusehen. Nach den Erkenntnissen der Arbeitsgruppe “Kosten und Zuständigkeitsfragen im ZBFS” des Bayer. Landesjugendamtes seien Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternteilzeitgesetz als Einkommen im Rahmen der Kostenbeitragsberechnung zu berücksichtigen. Zu Gunsten der Klägerin sei die Anrechnung erst ab dem 1. Juli 2009 erfolgt. Die Beklagte habe insoweit auf eine rückwirkende Forderung verzichtet.

Rz. 8

 Nachdem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2009, der Klägerin zugestellt am 17. November 2009, die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt und ihren Betreuer als Rechtsanwalt beig...

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