Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte Gewerbeuntersagung. Verletzung steuerrechtlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten. mehrfache Abgabe eidesstattlicher Versicherungen. mehrfache Nichteinhaltung von Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Finanzamt. keine Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts. Verurteilung wegen berufsbezogener Straftaten (hier: vorsätzliche verspätete Insolvenzantragstellung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht und Untreue). Verhältnismäßigkeit der Untersagung auch bei Kleingewerbe und drohendem Sozialfall. Beträchtlicher Rückstand von Steuerabgaben als zulässige Grundlage für eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeitsprognose i.R.e. Gewerbeuntersagung. Verletzung der für jeden Gewerbetreibenden geltenden Pflichten als Voraussetzung für eine erweiterte Gewerbeuntersagung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das ein Gewerbetreibender über Jahre hinweg seine Steuerschulden in beträchtlicher Höhe nicht nennenswert abbauen konnte, sondern wiederholt angekündigte Sanierungskonzepte nicht vorlegte und Ratenzahlungsvereinbarungen nicht einhielt, rechtfertigt die Prognose, dass er aufgrund der geringen Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit auch künftig die Steuerschuld nicht wird abzahlen können und er unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne ist.

Die für eine erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO erforderliche Prognose einer (gewerbeübergreifenden) Unzuverlässigkeit ist nicht zu beanstanden, denn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt hat, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Die erweiterte Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 S. 2 GewO) ist dann erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende in ein anderes Gewerbe ausweicht. In Bezug auf diese Prognose müssen keine zusätzlichen positiven Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass der Gewerbetreibende nach der Untersagung des von ihm betriebenen Gewerbes eine andere selbständige gewerbliche Tätigkeit ausüben wird. Vielmehr folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat; denn durch sein Festhalten an dem tatsächlich ausgeübten Gewerbe hat er regelmäßig seinen Willen bekundet, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen.

 

Normenkette

GewO § 35 Abs. 1, 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

VG Bayreuth (Entscheidung vom 08.03.2012; Aktenzeichen B 2 K 11.407)

BVerfG (Entscheidung vom 08.12.2009; Aktenzeichen 2 BvR 758/07)

BVerwG (Entscheidung vom 02.02.1982; Aktenzeichen 1 C 17.79)

 

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. März 2012 wird der Streitwert für beide Rechtszüge jeweils auf 20.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. März 2012, mit dem ihre Klage gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung für ihr Kleingewerbe abgewiesen worden ist.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) lassen die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) nicht hervortreten.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

Solche Zweifel bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist jedenfalls immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, RdNr. 7 zu § 124 m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG vom 8.12.2009 NVwZ 2010, 634/641 BVerfG 08.12.2009 – 2 BvR 758/07]; Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNrn. 62 f. zu § 124a).

Die Klägerin hat in ihrer Antragsbegründung weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts benannt und auch keine schlüssigen Gegenargumente vorgetragen, mit denen ein solcher Rechtssatz oder eine solche Tatsachenfeststellung in Frage gestel...

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