Leitsatz

Bauöffentlich-rechtliche Auseinandersetzungen unter Wohnungseigentümern (Rechtsschutz und Gerichtszuständigkeit); keine Baunachbarklage innerhalb einer Gemeinschaft

 

Normenkette

§§ 15 Abs. 1 und Abs. 3, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG; Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG; § 42 Abs. 2 VwGO

 

Kommentar

  1. Den verfassungsrechtlichen Maßstäben nach den Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG genügt eine Gerichtsentscheidung nicht, wenn sie die Zuständigkeit der angerufenen Gerichtsbarkeit verneint und auf die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit verweist, sich dabei aber in Widerspruch zur einhelligen Meinung in der Rechtsprechung der anderen Gerichtsbarkeit und in der Literatur setzt.

    In einem solchen Fall können nach Erschöpfung des Rechtswegs die Entscheidungen der zu Unrecht verweisenden Gerichtsbarkeit unter Berufung auf das GG (Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1) erfolgreich mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (im Anschluss an BVerfG v. 29.11.1996, 2 BvR 1157/93, NJW 1997, 726).

  2. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn die Verwaltungsgerichte eine im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern erhobene Baunachbarklage (hier: nach Vereinbarung in der Teilungserklärung zulässige Errichtung eines weiteren Gebäudes als Sondereigentum auf gemeinschaftlichem Grundstück) wegen fehlender Klagebefugnis abweisen und die Wohnungseigentümer insoweit auf den Zivilrechtsweg verweisen, obwohl das OLG – ohne die ständige Rechtsprechung der Fachgerichte infrage zu stellen – indirekt den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz für gegeben hält.
  3. Wann und in welchem Umfang materielle Abwehrrechte gegen baurechtlich unzulässige Baumaßnahmen auf dem gemeinschaftlichen Grundstück bestehen, ergibt sich aus § 15 Abs. 3 WEG bzw. aus den in einer Gemeinschaft bestehenden Vereinbarungen und Beschlüssen. Soweit keine speziellen vertraglichen Regelungen bestehen, gelten ergänzend auch die Normen des öffentlichen Baurechts, und zwar unabhängig davon, ob sie ihrerseits unmittelbar nachbarschützend sind oder nicht. Aber auch dann besteht kein selbstständiger öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch; vielmehr beruht die Anwendung des öffentlichen Rechts auch in diesem Fall auf der privatrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 3 WEG (so auch BVerwG v. 12.3.1998, 4 C 3/97, NVwZ 1998, 954 (955)). Eine im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern erhobene Baunachbarklage wird danach von den Verwaltungsgerichten in ständiger Rechtsprechung wegen fehlender Klagebefugnis abgewiesen; Wohnungseigentümer sind insoweit auf den Zivilrechtsweg verwiesen (h. M.).
  4. Vorliegend wurde die Verfassungsbeschwerde mangels der Annahmevoraussetzungen nach § 43a Abs. 2 BVerfG und fehlender Erfolgsaussicht nicht angenommen.
 

Link zur Entscheidung

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) v. 7.2.2006, 1 BvR 2304/05, NZM 13/2006, 510 = ZMR 6/2006, 453BVerfG, Beschluss vom 07.02.2006, 1 BvR 2304/05

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