Leitsatz

  • Die Zustimmungsfrage hat das Gericht zu erforschen (Amtsermittlungsprinzip)
  • Vereinbarung kann stets allseitige Zustimmung fordern
  • Bindung von Zustimmungen gegenüber Rechtsnachfolgern nur dann, wenn die bauliche Veränderung im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge zumindest teilweise bereits vorgenommen war
 

Normenkette

§ 15 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 WEG; § 12 FGG; § 162 Abs. 1 BGB, § 242 BGB; § 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

1. Die Anbringung eines Balkons ist eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG. Nachteilig im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG ist hier die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes. Wenn insoweit in zulässiger Abweichung zu § 22 Abs. 1 Satz 2 WEGvereinbart ist, dass Veränderungen im Erscheinungsbild des Hauses auch ohne Beeinträchtigung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer stets der allseitigen Zustimmung bedürfen, muss in einem solchen Fall nicht auf § 14 Nr. 1 WEG abgestellt werden.

2. Zustimmungen zu baulichen Veränderungen können die Eigentümer nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch in anderer Form als durch Beschluss, nämlich in Form einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG oder auch formfrei erteilen (vgl. BGH, NJW 1979, 817/819; BayObLGZ 1998, 32/34, ZMR 1995, 495/497; NJW-RR 1995, 653/654; OLG Hamm, WE 1996, 351/352; OLG Karlsruhe, NZM 1998, 526; Müller, Rn 231; Röll, ZWE 2001, 55/56; Palandt/Bassenge, § 22 Rn 14). Auf eine etwaige Beschlussfassung und Beschlusskompetenzfrage kommt es deshalb im vorliegenden Fall nicht an.

3. Rechtsnachfolger sind an Zustimmungen grundsätzlich auch nur dann gebunden, wenn im Zeitpunkt der Rechtsnachfolge die bauliche Veränderung zumindest teilweise bereits vorgenommen war; hiervon war vorliegend nicht auszugehen, sodass die Zustimmung der Rechtsvorgänger zur baulichen Veränderung den Antragsteller nicht gebunden hat. Selbst eine spätere Duldung einer baulichen Maßnahme durch den Antragsteller steht der Zustimmung regelmäßig nicht gleich (BayObLGZ 1998, 32; Beschluss vom 05.01.2001, Az.: 2Z BR 94/00).

4. Ob der Antragsteller jedoch nach Grundsätzen von Treu und Glauben ( § 242 BGB) gehindert ist, sein Beseitigungsverlangen durchzusetzen, bedarf noch weiterer Tatsachenfeststellungen und kann vom Senat nicht abschließend entschieden werden. Unter Umständen könnte der Geltendmachung des heutigen Beseitigungsverlangens durch den Antragsteller der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB entgegenstehen (aufgrund ursprünglich erfolgter Erklärungen).

5. Auch die Errichtung eines massiven Schuppens bedarf im vorliegenden Fall unabhängig von der Frage, optischer Beeinträchtigung einer solchen baulichen Veränderung der Zustimmung sämtlicher Eigentümer, weil diese im Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums nicht ganz unerheblich beeinträchtigt werden (BGH, NJW 1992, 978/979). Auch hier ist ein Beschluss der Eigentümer weder erforderlich, noch in jedem Fall ausreichend (vgl. BGH, NJW 79, 817/819). Zudem ist noch zu ermitteln, ob der Antragsteller seinerzeit ausdrücklich oder konkludent ( § 133 BGB) dieser Veränderungsmaßnahme zugestimmt hat; erst danach kann über sein Beseitigungsverlangen entschieden werden. Aufgeklärt ist auch nicht die Frage, ob es sich insoweit hinsichtlich des Gebrauchs der durch den Schuppen beanspruchten Gemeinschaftsfläche um eine Sondernutzung handelt, die nur in Form einer Vereinbarung geregelt werden kann. Antragsgegnerseits wurde auch behauptet, der Antragsteller, wie andere Eigentümer hätten zum Schuppen Zugang und würden ihn ebenfalls zum Abstellen von Fahrrädern und sonstigen Gerätschaften mitbenutzen.

6. Zurückverweisung der Sache an das LG bei Geschäftswert III. Instanz von DM 20.000,-

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 28.03.2001, 2Z BR 1/01).

Zu Gruppe 5

Anmerkung:

Seit langer Zeit hat ein Gericht zur Zustimmungsfrage bei baulichen Veränderungen durch einzelne Eigentümer zu Recht wieder auf die Grundsatz-entscheidung des BGH von 1979 verwiesen, die besagt, dass es bei solchen Änderungen allein auf die Zustimmung nachträglich nicht unerheblich betroffener Eigentümer ankommt und insoweit ein Gestattungsbeschluss weder ausreichend, noch erforderlich ist. Selbst eine allstimmige Zustimmung muss nicht als rechtsnachfolgerbindender Beschluss gewertet werden, kann vielmehr eine schuldrechtliche (formfreie) Vereinbarung darstellen, die dann grundsätzlich keine Bindungswirkung für und gegen Rechtsnachfolger erzeugt (so insbesondere OLG Hamm, WE 1996, 351 mit krit. Anmerk. meinerseits in WE 1/1999, 2). Das OLG Hamm ging seinerzeit bei ähnlicher Fallkonstellation von einer allstimmigen ("beschlossenen") Vereinbarung aus, die der Begünstigte allerdings erst nach einigen Jahren zu realisieren begann; zwischenzeitlich waren jedoch Rechtsnachfolger in die Gemeinschaft eingetreten und hatten - nach OLG Hamm zu Recht - ihr Veto eingelegt und einen Baustopp und eine Wiederherstellung des früheren Zustandes erwirkt. Hätte nach damaligem Recht nur ein Mehrheitsbeschluss die Maßnahme gestattet, wären an einen solchen Beschluss dann auch Rechtsn...

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