Leitsatz

Die Montage eines Sonnensegels auf einer Dachterrasse stellt wegen der damit verbundenen optischen Veränderung des Erscheinungsbilds des Gebäudes einen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG dar. Entsprechendes gilt für an der Außenseite eines Terrassengeländers befestigte licht- und sichtundurchlässige Sichtschutzmatten

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG

 

Das Problem

Wohnungseigentümer B montiert auf seiner Dachterrasse ein Sonnensegel. Außerdem befestigt er an der Außenseite seines Terrassengeländers licht- und sichtundurchlässige Sichtschutzmatten. Wohnungseigentümer K nimmt B auf "Rückbau" in Anspruch.

 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! K könne gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit den §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG die Beseitigung von Sonnensegel und Balkonbespannung verlangen. Es handele sich jeweils um bauliche Veränderungen. Unstreitig habe K diesen nicht zugestimmt. K sei auch beeinträchtigt. Bei der Beurteilung, ob ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG vorliege, sei ein strenger Maßstab anzulegen und die Schwelle zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung durch eine Veränderung des Erscheinungsbilds niedrig anzusetzen, um die grundrechtlich aus Artikel 14 des Grundgesetzes geschützten Interessen aller Eigentümer an der Beibehaltung des äußeren Erscheinungsbilds angemessen zu berücksichtigen (Hinweis auf BVerfG v. 22.12.2004, 1 BvR 1806/04, NZM 2005 S. 182). Infolgedessen sei eine erhebliche Beeinträchtigung regelmäßig schon dann anzunehmen, wenn eine erhebliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds vorliege. Denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, könnten im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspreche (BGH v. 14.12.2012, V ZR 224/11, BGHZ 196 S. 45).
  2. Ausgehend von diesen Maßstäben sei bei der Würdigung der vorgelegten Lichtbilder und des Ergebnisses des Augenscheins, der im Berufungsverfahren genommen wurde, sowohl durch das Sonnensegel als auch durch die Sichtschutzmatten eine optisch nachteilige Veränderung gegeben. Dabei verkenne das Gericht insbesondere hinsichtlich des Sonnensegels nicht die Besonderheiten des Einzelfalls, dass nämlich das Segel nur zeitweilig ausgefahren ist, nur von der rückwärtigen Seite des Hauses aus zu sehen ist, in ausgefahrenem Zustand einem unstreitig zulässigen Ampelschirm ähnele und in Bauart und Ausführung durchaus hochwertig zu bezeichnen sei. Gleichwohl überschreite das Sonnensegel die – niedrige – Schwelle zur nicht unerheblichen Beeinträchtigung. Es sei in eingefahrenem Zustand, anders als 1 oder 2 Sonnenschirme, als über der Terrasse hängender "Balken" deutlich zu erkennen. Entsprechendes gelte für die außen angebrachten Balkonbespannungen.
  3. K's Verlangen sei auch nicht schikanös im Sinne von § 226 BGB. Das Schikaneverbot setze voraus, dass nach Lage der gesamten Umstände ein anderer Zweck als die Schadenszufügung ausgeschlossen ist. Das sei nicht zu erkennen.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Verändert ein Wohnungseigentümer etwas, so ist zuerst zu fragen, ob es sich dabei um das gemeinschaftliche Eigentum und sodann, ob es sich um eine bauliche Veränderung handelt. Beide Fragen haben die Karlsruher Richter nicht gestellt. Warum nicht? Holen wir das Versäumte hier nach:
  2. Das Terrassengeländer steht – egal in wessen Eigentum die Dachterrasse steht – im gemeinschaftlichen Eigentum. Dies liegt an § 5 Abs. 1 WEG, wonach wesentliche Gebäudebestandteile im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, wenn durch ihren Ein-, Aus- oder Umbau die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. So ist es bei Terrassengeländern. Wird das Terrassengeländer aber baulich verändert, wenn daran licht- und sichtundurchlässige Sichtschutzmatten befestigt werden? Nein. In die Gebäudesubstanz wird nicht eingegriffen. Der Prüfungsmaßstab des Gerichts war daher § 15 Abs. 3 WEG. Dies ändert nichts im Ergebnis – es handelt sich um einen unzulässigen Gebrauch – hilft aber beim Gedankengang.
  3. Die Dachterrasse ist nach herrschender Meinung ein "Raum". Wird dieser verändert, hängt die Zulässigkeit davon ab, ob der Berechtigte an diesem Raum ein Sondernutzungsrecht hat oder Sondereigentum. Hat der Berechtigte nur ein Sondernutzungsrecht, handelt es sich um gemeinschaftliches Eigentum. Ob dieses durch ein Sonnensegel baulich verändert wird, ist eine Frage des Einzelfalls. Es gilt hier, was auch für das übrige gemeinschaftliche Eigentum gilt. Steht der Dachterrassenraum im Sondereigentum, wird es schwierig. Es handelt sich dann bei der Montage des Segels wohl um eine Änderung innerhalb des Raums. Innerhalb des Raums kann es Bauteile geben, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Und es kann Bauteile geben, die im Sondereigentum stehen. Woran das Sonnensegel befestigt wurde, ist nicht festgestellt. Wurde es am Sondereigentum befestigt, war daran nichts zu erinnern. Angenommen die Wand stand im gemeinschaftlichen Eigentum: Darf man dann die Wand „verändern"? Kann etwa ein...

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