Leitsatz

Ein nach § 14 Nr. 1 WEG nicht hinzunehmender Nachteil liegt im Grundsatz auch vor, wenn eine bauliche Maßnahme am Sondereigentum auf den optischen Gesamteindruck des Gebäudes ausstrahlt und diesen erheblich verändert.

Diese Feststellung erfordert einen Vorher-Nachher-Vergleich, bei dem in wertender Betrachtung der optische Gesamteindruck des Gebäudes vor der baulichen Maßnahme dem als Folge der baulichen Maßnahme entstandenen optischen Gesamteindruck gegenüberzustellen ist.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1

 

Das Problem

Das Sondereigentum von Wohnungseigentümer B ist das Penthouse auf dem Dach der Wohnungseigentumsanlage. Zu dem Penthouse gehört nach der Teilungserklärung ein Dachgarten, den die Rechtsvorgänger des B mit Zustimmung der damaligen Verwalterin mit Platten auslegten, mit einem Zaun umgrenzten und mit einem Dachvorbau versahen, der aus teilverglasten Holzseitenwänden bestand. Zu baulichen Veränderungen heißt es in der Gemeinschaftsordnung wie folgt:

 

§ 8 Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum

(1) Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum, insbesondere auch der Außenanlage, der Außenseite des Gebäudes, der Wohnungsabschlusstüren, der Eingangsanlage, des Treppenhauses, der gemeinschaftlich genutzten Kellerräume usw. dürfen nur mit Zustimmung des Verwalters vorgenommen werden; bei wesentlichen Veränderungen soll dieser die Zustimmung der Wohnungseigentümerversammlung einholen.

(2) Das Gleiche gilt für Veränderungen an den Balkonen, Dachterrassen oder den Rollläden, auch soweit diese im Sondereigentum stehen.

In der Zeit von Oktober 2012 bis April 2013 lässt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Dach reparieren. Der Belag, die Umgrenzung und der Dachvorbau werden dabei entfernt. Während der Bauarbeiten stellt B bei einer Besprechung in der Wohnung von Wohnungseigentümer K, dem Verwalter, den Verwaltungsbeiräten und den dort anwesenden übrigen Wohnungseigentümern den geplanten, in Form und Farbe veränderten Ersatz für den entfernten Dachvorbau vor. Diesen lässt B nach der Dachreparatur mit einem Kostenaufwand von 21.000 EUR errichten – ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer, aber – wie er behauptet – mit Zustimmung des Verwalters. Wohnungseigentümer K hält die Veränderung des Dachvorbaus für wesentlich und verlangt den Rückbau. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Das Landgericht verurteilt B hingegen zum Rückbau der Seitenwände des Dachvorbaus und eines Kastens in der Mitte. Dagegen wendet sich B mit der Revision.

 

Die Entscheidung

Grundsätze zum Unterlassungsanspruch

Ein Wohnungseigentümer, dem durch eine bauliche Maßnahme am Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse, könne sowohl nach § 15 Abs. 3 WEG als auch nach § 1004 Abs. 1 BGB die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Ein nach § 14 Nr. 1 WEG nicht hinzunehmender Nachteil liege unter anderem vor, wenn eine bauliche Maßnahme am Sondereigentum auf den optischen Gesamteindruck des Gebäudes ausstrahle und diesen erheblich verändere.

Keine Anwendung von § 22 Abs. 1 WEG

Dies ergebe sich allerdings nicht aus § 22 Abs. 1 WEG. Diese Vorschrift setze eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums voraus. Eine solche sei nicht festgestellt. Festgestellt sei nur, dass B auf dem Dachgarten einen Dachvorbau errichtet habe und dass der Dachgarten, was nach § 5 WEG mit ähnlichen Einschränkungen wie bei Balkonen rechtlich möglich sei, ausweislich der Teilungserklärung zum Sondereigentum des B gehöre.

Notwendigkeit einer Zustimmung

Die Notwendigkeit einer Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu der Maßnahme am Sondereigentum könne sich jedoch aus § 14 Nr. 1 WEG ergeben.

  1. Ein Nachteil liege danach nicht nur dann vor, wenn eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums zu einer erheblichen optischen Veränderung des gesamten Gebäudes führe, sondern auch dann, wenn eine solche Veränderung die Folge einer baulichen Veränderung des Sondereigentums sei.
  2. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ergäben aber nicht, dass die Wiedererrichtung des Dachvorbaus zu einer erheblichen optischen Veränderung des gesamten Gebäudes geführt habe. Denn das Landgericht stelle allein darauf ab, dass sich der wiedererrichtete Dachvorbau auf dem Dachgarten in Farbe und Form von dem früheren Dachvorbau unterscheide und dass er von der Straße aus deutlich zu erkennen sei. Bezugspunkt seiner Betrachtung sei damit allein das veränderte Bauteil. Das greife zu kurz. Die optische Veränderung eines Bauteils führe nämlich nicht schon für sich genommen zu einem Nachteil, den ein anderer Wohnungseigentümer abwehren könnte. Ein solcher Nachteil entstehe vielmehr erst dann, wenn die Veränderung des einzelnen Bauteils auch zu einer erheblichen optischen Veränderung des gesamten Gebäudes führe. Bezugspunkt der anzustellenden Wertung sei damit das Gebäude als Ganzes, nicht das einzelne Bauteil.
  3. Weil das Landgericht diesen Maßstab...

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