Rz. 54

Die Kündigungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie entfaltet ihre Wirkungen daher erst nach einem entsprechenden Zugang beim Erklärungsempfänger. Da bei Kündigungssachverhalten oftmals die Situation gegeben ist, dass der Erklärungsempfänger (Vorstand/Geschäftsführer) nicht anwesend ist, kommt es darauf an, einen sicheren Weg für Zugang und Zustellung der Kündigungserklärung zu wählen.

 

Rz. 55

Kann umständehalber die Kündigungserklärung dem anwesenden Organmitglied gegenüber erklärt werden, dann sollte aus Sicht der Gesellschaft dafür Sorge getragen werden, dass die schriftliche Kündigungserklärung (vertragliches Schriftformerfordernis an dieser Stelle unterstellt) dem Organmitglied beweisbar, am besten unter Hinzuziehung eines Zeugen, ausgehändigt wird. Der Vorstand/Geschäftsführer ist dabei nicht verpflichtet, die Ordnungsgemäßheit/Richtigkeit der erklärten Kündigung zu bestätigen; es besteht allerdings eine Verpflichtung seitens des Vorstands/Geschäftsführers, den Erhalt einer ausgehändigten Kündigungserklärung zu bestätigen. Aus Sicht des jeweiligen Vorstands/Geschäftsführers ist dabei darauf zu achten, dass aber auch nur der "formale Empfang" der Erklärung bestätigt wird und keine weiteren inhaltlichen Erklärungen abgegeben werden.

 

Rz. 56

Sollte die (schriftliche) Kündigung zugestellt werden müssen, ist ebenfalls dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die das Schriftstück zustellen, bezeugen können, welchen Inhalt der zuzustellende Brief hatte.

Will man all diesen Schwierigkeiten in der Praxis aus dem Weg gehen, dann empfiehlt es sich nach wie vor, den "sichersten Weg" zu wählen und ein derartiges Kündigungsschreiben per Boten oder Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen; dann sind jedenfalls die oftmals in der Praxis unseligen Streitigkeiten über "Zustellung ja/nein" und vor allen Dingen im Hinblick auf die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB die Streitigkeiten um den Zeitpunkt der Zustellung von vornherein erledigt. Bei Zustellung durch einen Boten ist unbedingt darauf zu achten, dass der Bote selbst oder derjenige, der dem Boten den Briefumschlag mit dem Kündigungsschreiben übergibt, zuvor beim Eintüten des Kündigungsschreibens anwesend ist, damit er erforderlichenfalls als Zeuge bestätigen kann, dass das Kündigungsschreiben in dem von dem Boten zugestellten Briefumschlag war. Bei Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ist es unbedingt erforderlich, sich mit dem Gerichtsvollzieher über das Prozedere und den Zeitablauf abzustimmen und ihm das Kündigungsschreiben unmittelbar zukommen zu lassen und nicht über die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle.

 

Rz. 57

Sollte sich die Gesellschaft beispielsweise eines Kurierdienstes bedienen, ist neben dem vorgenannten Hinweis auch die Rechtsprechung zum Zustellungszeitpunkt mit zu berücksichtigen. Danach gehen Briefe mit der Aushändigung an den Empfänger zu. Der Einwurf in einen Briefkasten bewirkt den Zugang zu dem Zeitpunkt, zu dem nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Hierbei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung vorzunehmen.[62] Das BAG nahm eine Kenntnisnahme am selben Tag bei einem Einwurf gegen 13 Uhr an.[63] Teilweise wurde entschieden, dass eine nach 16 Uhr in den Hausbriefkasten eingeworfene Kündigungserklärung dem Empfänger erst am nächsten Tag zugeht.[64] Das LAG München stellte hingegen auf 17 Uhr ab.[65] Da – anders als früher – heute Postzustellungen auch nachmittags erfolgen, stellt sich zunehmend die Frage, bis wie viel Uhr "am Nachmittag" eine entsprechende Erklärung zugestellt worden ist. Insoweit bildet sich die Rechtsmeinung heraus, dass bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe noch am selben Tag zugehen, wohingegen später eingeworfene Briefe erst am nächsten Werktag zugehen.[66] Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass dann, wenn ein Schriftstück am 31.12. erst nachmittags in den Briefkasten eines Büros eingeworfen wird, in dem branchenüblich Silvesternachmittags nicht mehr gearbeitet wird, von einem Zugang erst am nächsten Werktag auszugehen sei.[67]

[63] BAG v. 22.3.2012, NJOZ 2012, 2088, 2090.
[64] LAG Köln v. 17.9.2010, NZA-RR 2011, 180, 181 f.; LAG Hamburg v. 13.2.2014 – 8 Sa 68/13, juris Rn 31.
[65] LAG München v. 2.2.2011 – 11 Sa 17/10, juris Rn 71.
[66] Vgl. Grüneberg/Ellenberger, 32. Aufl. 2023, § 130 Rn 6 m.w.N.

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